Ein Hauch von Ewigkeit

Ihmezentrum – EIN HAUCH VON EWIGKEIT…

Das Revitalisierungsprojekt Ihme-Zentrum ist am Tiefpunkt angelangt; von Daniel Gardemin, Linden

Wer als Laie den Bau des ECE am Hauptbahnhof in seinen einzelnen Bauabschnitten verfolgt hat, kann nachvollziehen, wie eine Idee bautechnisch professionell umgesetzt werden kann. Ganz anders der Baufortschritt im Ihmezentrum, auch wenn er nicht in allen Belangen vergleichbar ist. Insbesondere die Arbeit in der vorhandenen Bausubstanz erfordert eine andere Umsetzungslogik.

Im Vergleich sind mir als Nachbar des Ihmezentrums dennoch mehrere Dinge aufgefallen: -Es sind zu keinem Zeitpunkt Arbeiten mit Nachdruck und mit vollem Einsatz von Manpower und technischem Gerät durchgeführt worden. -Nur die von Stadt und Eigentümerschaft durchgeführte Maßnahmen verliefen zügig. Es drängt sich mir daher der Verdacht auf, dass Bauzeiten bewusst gestreckt wurden und viele Einzelgewerke an Kleinaufträgen gearbeitet haben. Des Weiteren suggerierten die unterschiedlichen Bauschilder, die immer wieder neu datiert wurden, Zielstellungen, die selbst dem Laien bei genauerem Nachdenken unrealistisch erschienen. Flankiert wurde die Arbeit von einer Einpersonenöffentlichkeitsarbeit, die mittels einfacher Präsentationen selten den Eindruck von durchdachten Zeitplänen, schönen Innenausstattungen und großen Geldsummen erweckte und gleichzeitig durch Geheimniskrämerei und wenig kommunikativem Umgang mit den Miteigentümern und Stadtverwaltung als wenig vertrauenswürdig erschien.In der Summe machte mir das Ganze einen unzusammenhängenden und undurchsichtigen Eindruck, vor allem vor dem Hintergrund der zügigen und professionellen Umsetzung des ECE Projektes s am Hauptbahnhof. Es scheint mir auch sehr fraglich, dass die ursprünglich veranschlagten 50 Millionen Euro, die später auf 40 Millionen Euro korrigiert wurden, von den Investoren wirklich verarbeitet wurden. Wer sagt uns, dass es nicht vielleicht nur zehn Millionen waren; wesentliche Arbeiten scheinen ja noch gar nicht durchgeführt worden zu sein.In dieser Logik sehe ich auch das aktuelle abrupte Ende des schleppenden Baubetriebes. Der vom Investor genannte Grund, nämlich die gestoppten Kreditflüsse der Berliner Landesbank setzen hoffentlich nur einen vorläufigen Schlussstein unter die Fortführung einer unkonventionellen Baustelle. Was passiert hinter den Kulissen und was sind die Ziele des Investors? Da Verschwiegenheit zu den Stärken des Investors gehört, bleibt nur die Spekulation, die sich aber auf Indizien stützt.  

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Hierzu einige Gedanken, in Details unfertig und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, in der Pointe zuspitzend:

Bereits einen Monat nach Baubeginn im Juni 2006 verkaufte Erstinvestor Engel den Großteil seiner Anteile an einen Private-Equity-Fonds der Carlyle Group, den Carlyle Europe Real Estate Partners II (CEREP II). Dieser Fonds ist zwar mit fast 800 Millionen Euro aufgelegt, seinen Profit erzielt er aber mit einem hohen Anteil an geliehenem Geld, mit dem er vor allem problematische Großimmobilien erwirbt und zur Sanierung bringt. Mit minimalem Eigenkapitaleinsatz werden riskante Geschäfte getätigt. Hohe Steuervorteile auf fremdfinanzierte Kapitalgewinne und geringe Eigenkapitalverluste bei einem Scheitern des Vorhabens führen zu hohen Renditezielen von i.d.R. über 30%. Das hohe Risiko des Scheiterns kennen natürlich auch die Banken, so dass der Liquiditätsfluss im Zweifelsfall schnell gestoppt wird. Das Ihmezentrum ist, trotz Wertsteigerung vor allem durch die städtischen Zusagen – niemand will es gerne hören – eine sogenannte Schrottimmobilie. Doch genau dies macht sie ja für Investoren auch so interessant, insbesondere wenn die Kommune sich gezwungen sieht, über immer weitere öffentliche Investitionen Schaden von der Bevölkerung abzuwenden. Geld von den Banken scheint es in absehbarer Zeit jedenfalls nicht mehr zu geben. Am 28.1.09 berichtet die Financial Times über die Krise der Private-Equity-Fonds, im Volksmund Heuschrecken genannt: "Keine Bank leiht ihnen mehr Geld, ihre wenigen Deals platzen reihenweise, und das öffentliche Ansehen der Private-Equity-Investoren konkurriert mit dem von Totengräbern".Dieses Ausbleiben von Fremdkapital wird Carlyle zu veränderten Renditestrategien zwingen, bei der auch Alternativen zum Weiterbau eine Rolle spielen werden. Vorstellbar ist die Veräußerung der Immobilie, was sich allerdings innerhalb der Umstellungsphase in der Finanzkrise als problematisch erweisen würde, es wird schlichtweg keinen Käufer geben. "Der europäische Immobilienmarkt steht von mehreren Seiten unter Druck. Da Banken kaum noch größere Kredite vergeben und Investoren vor Neuengagements zurückschrecken, steht zu wenig Kapital für neue Projekte zur Verfügung", so Spiegel-Online vom 2.2.2009.Andererseits lässt sich im Immobiliengeschäft auch über den Faktor Zeit Rendite erzielen. Insbesondere die chronische Unterbewertung deutscher Immobilien im internationalen Vergleich könnte mittelfristig die Immobilienpreise steigen lassen. Werden in dieser Zeit auch noch Zugeständnisse der öffentlichen Hand erreicht, kann auch ein mehrjähriger Baustillstand durchaus noch lukrativ erscheinen. Für Gespräche mit der Stadt könnte auch ein möglicher Unterhändler Frank-Michael Engel, der sich nach dem heimlichen Verkauf seiner Anteile nun am 21.1.09 um Seriosität bemüht einem Gespräch mit der NP stellt, wieder aktiv werden.

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In der Geschäftspolitik des Investors ist keine Rücksicht auf Bewohner und Stadt zu erwarten, sofern keine Gegenleistungen in Aussicht stehen. Hier hätten Wohneigentümer und Stadt allerdings ein zumindest moralisches Recht auf Auskunft und Verlässlichkeit. Wahrscheinlicher ist aber, dass der Stadtverwaltung nicht einmal eine funktionierende Telefonnummer zur Verfügung steht. "Die Stadt werde zeitnah über die Ergebnisse der Gespräche mit der Bank informiert", so die HAZ am 22.1.2009. Carlyle bestimmt die Spielregeln, der Stadt bleibt nur die Statistenrolle.

Allerdings gibt es Gegenwind von anderer Seite. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Stillstand am Ihmezentrum auch mit dem Regierungswechsel in den Vereinigten Staaten zusammenhängt. Die Ankündigung des neuen Präsidenten, fünf Tage nach Baustopp im Ihmezentrum, Hedgefonds und co. stärker über die Börsenaufsicht zu regulieren, dürften Carlyle und auch die geldgebenden Banken bereits im Vorfeld sensibilisiert haben. Da in der Finanzwelt nichts wirksamer ist, als auf die Zukunft ausgerichtete Strukturinformationen, kann der schnelle Baustopp auch vor diesem Hintergrund interpretiert werden. Zudem setzt die Finanzkrise seit Anfang 2008 den Private-Equity-Fonds erheblich zu, im übrigen genau der Zeitraum, in dem aus dem bereits geringen Bautempo ein Stop-and-go wurde. Nur zum Vergleich: seit Monaten fahren beim Umbau des Maschsseestrandbades täglich 40 bis 60 Lieferanten und Schwertransporter an die Baustelle, die auf ein Volumen von 20 Millionen Euro veranschlagt ist. Da wo Architekten pleite gehen und Kleingewerke ihre Ware sichern müssen, ist schon länger etwas faul.

Daher muss neben der Kaffeesatzleserei noch ein Blick auf die Zahlen geworfen werden. Denn hier zeigt sich, wie erfolgreich über Zeitverzug, Verfall, Geschäftsschädigung, Wertminderung von Wohneigentum und Veränderung von Bausubstanz Druck auf die anderen Eigentümer und die Stadt als Moderatorin ausgeübt wurde.

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Ohne Anspruch auf Vollständigkeit ergibt sich aus den vorhandenen Pressemitteilungen folgendes Bild: Anfänglich wurden durch Frank-Michael Engel 1,2 Millionen Euro aus der Instandhaltungsrücklage der Eigentümergemeinschaft für Architektenplanungen auf die Lampe-Bank nach Luxemburg transferiert, so Hallo-Linden im April 2004, dann wurden durch Engel Hausgelder seines erworbenen Anteils an der Gesamtliegenschaft in Höhe von damals 65 Prozent nicht eingebracht sondern direkt investiert, anschließend sagte die Stadt Ende 2005 2,2 Millionen Euro Zuschüsse für die Mall-Sanierung zu, die bis heute noch nicht abgerufen sind, zudem 5,3 Millionen Euro für den Umbau der Blumenauer Straße, den Schwarzen Bär und den Küchengarten. Die 50.000 Euro für den Abriss der Brücke bezuschusste Carlyle später.Die Wohnungseigentümergemeinschaft investiert 11 Millionen in Fassaden und Haustechnik, wobei der Anteil des Mehrheitseigentümers Carlyle nicht ersichtlich ist.Im Zuge der von der Stadt beantragten Fördergelder aus dem europäischen Regionalfördertopf ERFE für den Stadtumbau-West, der vollständig dem direkten Umfeld des Ihme-Zentrums zugute kommt, wurden inzwischen bewilligte EU-Gelder und Bundesmittel in Höhe von jeweils 1,3 Millionen Euro für Uferweggestaltung und Flächenanbindung eingeworben. Die Stadt schießt ebenfalls 1,3 Millionen Euro zu, die aus den Zusagen aus 2005 abgezogen werden sollen. Insgesamt steckt die öffentliche Hand damit zusätzliche 2,6 Millionen in das direkte Umfeld des Ihme-Zentrums. Dazu kommen die oben genannten Mietzusagen über 26.000 Quadratmeter Gewerbefläche, zu denen noch der Umzug der Polizeiinspektion West mit 3690 Quadratmeter hinzuzuzählen ist.

Ohne Kenntnis der vereinbarten Mieten ist nach meiner Überzeugung über die Planungssicherheit ein erheblicher Vorteil für den Investor entstanden. Die Mietverträge laufen über 20 Jahre, wobei von einer Mietpreisstaffelung auszugehen ist.

In der Summe hat die Eigentümerschaft über 12 Millionen Euro seit 2000 investiert, die öffentliche Hand hat Zusagen in Höhe von über 10 Millionen getätigt, von denen schon erhebliche Mittel geflossen sind. Dazu kommt die Anmietung von rund 30.000 Quadratmeter Gewerbefläche zu garantierten Mieten über 20 Jahre, die bei geschätztem einem Euro Vorteil je Quadratmeter und Monat jährlich einen Zuschuss von rund 360.000 Euro ausmachen. Über die gesamte Laufzeit also noch einmal 7,2 Millionen, die als buchhalterischer Wert selbstverständlich bei der Akquise von Fremdkapital eingesetzt werden. In der Summe fließen durch Eigentümerschaft und öffentliche Hand rund 30 Millionen Euro in das Projekt und sein Umfeld.

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Die CEREP II und Engel haben, wenn man die Planungsgrundlagen aus dem Jahr 2005 zugrunde legt, folgende Investitionen getätigt: Von den geplanten 25 Millionen Euro, die in Fachmarktzentrum und Büroflächen fließen sollten, sind möglicher Weise 30 Prozent verbaut. Für Rohbaukosten werden 30 bis 40 Prozent der Bausumme veranschlagt, der Rohbau der Gewerbeflächen ist aber augenscheinlich noch nicht fertig gestellt, den Baufortschritt der Büroflächen kann ich nicht beurteilen. Dennoch sind wohl nicht mehr als 7 bis 8 Millionen Euro verbaut worden, davon mindestens 1,2 Millionen Euro, vermutlich sogar mehr, aus Instandhaltungsrücklagen (s.o.). In die Tiefgarage flossen schätzungsweise 4,75 Millionen Euro von 5 Millionen geplanten Euro, mindestens 0,25 Millionen fehlen noch zur Installation von Brandschutzmaßnahmen, so HAZ vom 29.1.2009. In die Mall waren nur 0,8 Millionen Euro geplant, die übrigen 2,2 Millionen Umbaukosten will die Stadt Hannover zuschießen (s.o.).

Damit haben die Investoren nach meiner Schätzung höchstens 12 Millionen Euro verbaut, vielleichtauch weniger. Bei einer für Private-Equity-Fonds üblichen Eigenkapitalquote von rund 20 Prozent, haben die Investoren nicht viel mehr als 2 Millionen Euro in die Immobilie gesteckt, wenn nicht die Gelder aus der Instandhaltungsrücklage für die Banken als ausreichend Eigenkapital angesehen wurden. Bei der nun eigentlich beginnenden Ausbauphase, die meiner Berechnung nach, wenn die Planungssumme je gestimmt haben sollte, ja noch die restlichen rund 20 Millionen Euro umfassen müsste, muss natürlich erheblich nachgeschossen werden. Will das CEREP II? Man möge mich für die behelfsmäßige Schätzung kritisieren, ich werde auch das Ein oder Andere ausgelassen haben, was sich evtl. in der Summe wieder ausgleicht.

Das Ungleichgewicht von Risiken für Investor, Stadt und Wohnungseigentümer wird aber deutlich. Während Gewinne beim Investor verbleiben, werden alle Nebenkosten auf Stadt und Wohnungseigentümer abgeschoben.

Es bleibt dennoch zu hoffen, dass die Wertsteigerung in Höhe von mehreren zig Millionen Euro für Carlyle oder den Nachfolger doch noch Anlass für eine möglichst baldige Realisierung der Pläne darstellt. Zu befürchten ist allerdings eine Hängepartie mit ungewissem Ausgang, bei dem leider auch die letzte Alternative, das Ende der verschachtelten GmbHs der CEREP II, nicht auszuschließen ist.

Daniel Gardemin
Hannover-Linden, 04. 02. 2009