VHS-Veranstaltungsreihe: Flucht – Asyl – Rassismus
Die Volkshochschule Hannover startet im Februar mit einer fünfmonatigen Veranstaltungsreihe zum Thema „Flucht – Asyl – Rassismus; Fremdenfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft“. Das Angebot findet in Kooperation mit der VHS Hannover, der Leibniz Universität Hannover, der Arbeitsgemeinschaft Politische Psychologie und der Landeshauptstadt Hannover statt.
- Programmflyer: VHS-Fremdenfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft
Veranstaltungsort ist die Volkshochschule Hannover, Burgstraße 14, 30159 Hannover, Saal im ersten Obergeschoss. Alle Veranstaltungen sind barrierefrei erreichbar und kostenlos.
Das „Eigene“ und das „Andere“
Zur Sozialpsychologie von Fremdenfeindlichkeit
Was treibt Menschen dazu, sich abwertend, feindselig oder gar gewalttätig gegenüber denen, die ihnen fremd erscheinen, zu verhalten? Der Hass auf Fremde bei gleichzeitiger Selbstdefinition durch die Zugehörigkeit zu einer „überlegenen“ Gruppe, „Rasse“, Kultur oder Nation ist irrational und trägt wahnhafte Züge. Individuell und kollektiv steht dabei ein unbewusster Mechanismus im Umgang mit dem „Eigenen“ und dem „Anderen“ im Mittelpunkt: Das im Innern abgespaltene und als fremd und bedrohlich empfundene Eigene wird auf äußere Feinde projiziert und stellvertretend an ihnen verfolgt. Was aber ist in diesem Zusammenhang eigentlich „das Fremde“? Und welche Rolle spielen die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen bei den aktuell wieder angestiegenen Ausbrüchen von Fremdenhass? Diesen Fragen wird sich der Vortrag aus einer psychoanalytisch-sozialpsychologischen Sicht annähern.
Mittwoch, 17. Februar 2016, 18.30 Uhr
Referent: Prof. Dr. Rolf Pohl, Leibniz Universität Hannover
Moderation: Arzu Altug, VHS Hannover
Workshop Genozidforschung
(Dieser Workshop wird nachträglich zur Veranstaltungsreihe „Völkermord“ angeboten)
Genozidforschung beschäftigt sich sowohl mit den historischen Prozessen und den sozialen und politischen Strukturen kollektiver Gewaltakte, als auch mit ihren generationenübergreifenden Auswirkungen. Weitere wichtige Beschäftigungen stellen die Diskussion von Möglichkeiten der Früherkennung und Verhinderung zukünftiger Menschenrechtsverletzungen sowie von Modellen des Lehrens und Lernens über Gewalt und Genozid dar. Den Schwerpunkt der in Deutschland noch immer relativ unbekannten Disziplin bildet die Untersuchung von Völkermord als gesamtgesellschaftlicher Vorgang: Genozide werden über vielschichtige Verwicklungen unterschiedlicher Institutionen und Einzelpersonen und komplexe Motivzusammenhänge verwirklicht. Als fächerübergreifende Forschung ermöglicht die Genozidforschung einen wichtigen Beitrag zur Grundlagenforschung über die Gestalt moderner Gesellschaften, ihrer Selbstbilder und Handlungsnormen, Identitätsvorstellungen und Ordnungsentwürfe. In dem Workshop wird u. a. folgenden Fragestellungen nachgegangen:
• Was ist Völkermord?
• Welche Lehren für heute lassen sich aus der Genesis des Genozid-Konzeptes ziehen?
• Welche Definitionsprobleme ergeben sich aus der UN-Genozid-Konvention?
• Stellt die vergleichende Genozidforschung die Singularität jedes einzelnen Völkermordes in Frage?
• Welche Kategorien sind für die strukturelle Vergleichbarkeit notwendig?
• Wie können künftige Völkermorde verhindert werden?
• Gibt es neue Perspektiven in der Genozidforschung?
Dienstag, 12. April 2016, 16 Uhr
Referent: Prof. Dr. Mihran Dabag, Geschichtswissenschaftliche Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, Leiter des Instituts für Diaspora- und Genozidforschung
Moderation: Prof. Dr. Rolf Pohl, Leibniz Universität Hannover
„Fremder“ Islam? Antimuslimische Vorstellungen im Vergleich
„Der Islam“ und „die Muslime“ gelten heute oft als fremd in Hannover. Dies ist erstaunlich, bestanden doch Jahrhunderte lang Interaktionen und teilweise enge Beziehungen und Bündnissen mit muslimisch geprägten Kontexten. Die Vorstellung der Fremdheit basiert also auf einem spezifischen Prozess des Vergessens und Umschreibens von Geschichte. Diese Prozesse sind jeweils regional verschieden. So wird die Geschichte in Bezug auf Islam in Wien grundsätzlich anders konstruiert. Solche Vergleiche machen sichtbar, dass antimuslimischer Rassismus jeweils auf unterschiedlichen Vorstellungen der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft beruht. Er ist damit ein Strukturmerkmal der dominanten Gesellschaft und von dieser abhängig.
Mittwoch, 27. April 2016, 18.30 Uhr
Referentin: PD Dr. Eva Kalny, Leibniz Universität Hannover
Moderation: Prof. Dr. Pohl, Leibniz Universität Hannover
Die extreme Rechte und die Attraktivität ihres Rassismus
Ressentimentgetriebene Einstellungen, die zuvor nur der extremen Rechten als politisch-subkulturellem Milieu zugerechnet worden waren, erleben ihr Öffentlich-Werden in Form großer Demonstrationen (Pegida etc.), Parteineugründungen (AfD) und erschreckender Umfrageergebnisse. Zugleich existiert neben den Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte und dem Massensterben im Mittelmeer auch der Versuch in der Bevölkerung, eine „Willkommenskultur“ zu leben. Dies alles erscheint als Déjà-vu der Jahre nach der Wiedervereinigung: Das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen, die breite Unterstützung für die Einschränkung des Asylrechts, die Beteiligung von 100.000den an den anti-neonazistischen Lichterketten. Wie ist der Zusammenhang von Positionen der extremen Rechten und der „Mitte der Gesellschaft“ zu erklären?
Gibt es eine Verbindung zwischen dem Erstarken rassistischer Ressentiments und demjenigen Deutschlands als Großmacht? Wie ist das Verhältnis von Fremdenfeindlichkeit und Willkommenskultur zu fassen?
Mittwoch, 18. Mai 2016, 18.30 Uhr
Referent: Dr. Sebastian Winter, Universität Bielefeld/Fakultät für Soziologie/Arbeitsbereich Gender
Moderation Prof. Dr. Rolf Pohl, Leibniz Universität Hannover
Antiziganistische Konstellationen:
Die Situation der „Balkanflüchtlinge“ in Deutschland und in ihren Herkunftsstaaten
Wenn in den Medien von „Balkanflüchtlingen“ die Rede ist, ist vielen Rezipient_innen sofort klar, wer gemeint ist. Als innereuropäisch platziertes Projektionsobjekt umfasst „Balkan“ traditionell alles, was nicht ins offizielle Selbstbild vom zivilisierten Europa passt. Keine andere Gruppe aber personifiziert im kulturell tradierten Phantasiesystem Europas den „Balkan“ besser als das imaginierte Kollektiv der „Roma“, die mit Chaos, Armut, Kriminalität und vor allem Dreck assoziiert werden. Tatsächlich aber fliehen Rom_nja aus Situationen massiver institutioneller Diskriminierung und offener rassistischer Gewalt, und sie kommen in Situationen bescheidenster materieller Sicherheit und breiter antiziganistischer Ablehnung. In Serbien, Bosnien oder Mazedonien verfolgt, sind sie in Deutschland unerwünscht und werden als eine Bedrohung für Wohlstand und Sicherheit, als „Scheinasylanten“ oder „Sozialtouristen“ dargestellt.
Mittwoch, 29. Juni 2016, 18.30 Uhr
Referenten: Prof. Dr. Wolfram Stender, Hochschule Hannover und Djevdet Berisa, Romane Aglonipe e.V.
Moderation: Prof. Dr. Rolf Pohl, Leibniz Universität Hannover
Bildquellen:
- Flucht-Asyl-Rassismus: Volkshochschule Hannover