Hannover ist ein guter Wohnort für Familien mit Kindern – muss aber mehr tun, um der Zielgruppe Qualitäten und Angebote zu vermitteln und sich als familienfreundliche Stadt bekannt zu machen.
So lautet der Tenor des Gutachtens zur Familienpolitik, das die Verwaltung im Mai 2007 an die Prognos AG Basel vergeben hatte.
"Wir sind strukturell gut aufgestellt, müssen aber an Service- und Kommunikationsleistungen weiter arbeiten. Damit kommen wir auch dem Ziel unserer strategischen Ausrichtung nach, die familienfreundlichen Standortqualitäten Hannovers weiter zu stärken", wertete Oberbürgermeister Stephan Weil heute (7. Februar) das Ergebnis.
Anlass für das Gutachten war neben der allgemeinen demografischen Entwicklung die Feststellung der Bertelsmann-Stiftung, dass in Hannover nach einem bundesweiten Städtevergleich im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung die wenigsten Familien mit Kindern leben.
"Bedenkt man, wie wichtig das innovative, kreative und dynamische Potential jüngerer Menschen in der Familiengründungsphase für die Gesellschaft insgesamt und dementsprechend auch für die Erneuerungskraft von Stadtgesellschaften ist, wollen wir das Resultat der Stiftungsstudie nicht einfach auf sich beruhen lassen", so Weil. Er umreißt dabei den Kern der Auftragsvergabe: "Wir wollten aus fachlicher und neutraler externer Sicht erläutert bekommen, wo in der Situation von Eltern, aber auch in den Strukturen unserer Angebote und Maßnahmen die Gründe für den Mangel an Familien mit Kindern liegen – und was wir ändern können."
Ausgangslage der Untersuchung war, dass die Geburtenziffern in Hannover niedrig sind – unter anderem wegen der verhältnismäßig großen Zahl an StudentInnen und dem relativ geringen Anteil von MigrantInnen an der Bevölkerung. Im Vergleich mit ähnlich großen Städten wandern aus Hannover immer noch sehr viele Familien ab, auch wenn diese Zahl gegenüber früheren Prognosen gesunken ist.
Vor diesem Hintergrund hat Prognos nach einer Stärken-Schwächen-Analyse Handlungsempfehlungen formuliert, um die Attraktivität und Bindungskraft Hannovers für Familien zu stärken. Grundlage waren unter anderem von Fachgespräche mit verwaltungsinternen und externen AkteurInnen und ExpertInnen sowie Eltern.
Tilmann Knittel, Projektleiter von Prognos, fasst das Analyseergebnis zusammen: "Wir haben kein wirklich grundlegendes, entscheidendes Defizit der Stadt Hannover für Familien finden können, welches den geringen Familienanteil erklären könnte. Im Gegenteil: Hannover kann im Vergleich zu anderen Großstädten auf zahlreiche ambitionierte Angebote verweisen."
Knittel nennt in diesem Zusammenhang das Angebot an Ganztagsbetreuung für Kindergartenkinder, die aktuellen Ausbauplanungen bezüglich Krippen und Ganztagsschulen. Hervorgehoben werden auch die guten Rahmenbedingungen für das Wohnen – nicht nur wegen der im Vergleich zu anderen Großstädten ausgedehnten Grünflächen im oder nahe dem Stadtgebiet, sondern auch wegen des ausgesprochen günstigen Preisniveaus für Mieten und Grundstücke.
Als wesentlichen Schwachpunkt hat Prognos herausgearbeitet, dass das Angebotsspektrum häufig nicht umfassend bekannt ist – und zwar weder bei den Eltern, noch auf Seiten der Anbieter. Das betrifft mehr oder weniger alle untersuchten Bereiche von der Kinderbetreuung, dem Schulangebot und Freizeitangebot bis zur Wohnraumförderung für Familien.
Knittel: "Hannover hat durchaus die Möglichkeit, sich faktenbasiert als familienfreundliche Stadt zu positionieren. Wir empfehlen daher, diese Fakten weiter auszubauen – und zugleich vermehrt in die Angebotskommunikation zu investieren. Sie ist die Voraussetzung, damit Angebote auch wirklich von der Zielgruppe wahrgenommen werden. Und aus dieser Wahrnehmung können sich wichtige Argumente für junge Familien und Paare vor der Familiengründung ergeben, sich für den Verbleib in der Stadt zu entscheiden."
"Ingesamt haben uns die Gutachter 27 Handlungsempfehlungen vorgelegt, die wir in einer dezernatsübergreifenden Steuerungsgruppe bearbeiten", erläutert Jugend- und Sozialdezernent Thomas Walter und kündigt an: "Für die Abarbeitung unterscheiden wir Maßnahmen, die kurzfristig umgesetzt werden könnten und solche, die stärkeren planerischen und konzeptionellen Vorlauf brauchen."
"Wie Prognos Hannover erfreulicherweise bescheinigt, verfügt die Stadt schon heute über viele gute Grundlagen in Sachen Familienfreundlichkeit." Der Dezernent hebt dabei als wesentlichen Punkt die Betreuung der unter Dreijährigen hervor, bei der unter anderem mit dem jüngst aufgelegten Programm "5 mal 300" eine Versorgungsquote von annähernd 40 Prozent bis zum Jahr 2013 erreicht werden soll – und die gutachterliche Empfehlung sogar um fünf Prozent überschritten werden wird.
"Den Hinweis, mehr für die Angebotskommunikation zu tun, nehmen wir so auf, dass es hauptsächlich darum gehen muss, der Zielgruppe ‚Familien‘ die Zugänge zu den Angeboten zu erleichtern", konkretisiert Walter. "Sie soll möglichst einer Hand alle Informationen unabhängig vom Anbieter bekommen, die sie wünscht."
Als Beispiele nennt der Jugenddezernent folgende Punkte des Gutachtens für eine eher kurzfristige Umsetzungsperspektive:
Familien(Service)Büro – Gut erreich- und auffindbar in der (Innen)Stadt gelegen sollte es mit familienfreundlichen Öffnungszeiten die zentrale Anlaufstelle zu möglichst allen familien- und kinderspezifischen Fragen sein. Dabei sollen die MitarbeiterInnen häufige Standardfragen beantworten können. Bei komplexeren Fragestellungen fungieren sie als verlässliche ErstansprechpartnerInnen und stellen die notwendigen Kontakte her. Den inhaltlichen Schwerpunkt soll die Information über Kindertagesbetreuung und Vermittlung von Kindergartenplätzen sowie über Hannover-Kinder-Bauland-Bonus und Einfamilienhausprogramm bilden.
Informations- und Vermittlungssystem zur Kinderbetreuung – Das neue Informationssystem soll eine umfassende und tief greifende Übersicht über alle Betreuungsmöglichkeiten möglichst aller Träger und Tagespflegepersonen bieten inklusive spezifischer Charakteristika der Angebote. Die Umsetzung eines zentralen Anmeldemanagements bei der Vermittlung von Betreuungsplätzen für Kinder bis drei Jahren wird geprüft.
Das System wird wichtiges Instrument des Familien(Service)Büros.
Familienmanagement – Auf einer neu beschriebenen Stelle sollen Angeboten für Familien systematisch gesammelt und strukturiert werden (Wissensmanagement). Die/der FamilienmanagerIn soll zudem insbesondere Ansprechstelle für AkteurInnen aus der Wirtschaft zum Thema Familie sein und dabei aktiv auf die AkteurInnen zugehen. Die Förderung von Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Initiierung von Betriebskindertagesstätten wären Aufgabenbeispiele. Aus dem entstehenden Kontaktnetzwerk werden Impulse für die Weiterentwicklung der Familienpolitik erwartet.
Zu den eher kurzfristig realisierbaren Maßnahmen eines umfassenden Kommunikationsansatzes gehören weiterhin ein Begrüßungspaket für Neu-Familien, die Optimierung der Internetpräsenz von Angeboten und Maßnahmen für Familien sowie eine erweiterte Öffentlichkeitsarbeit für das differenzierte Schulangebot Hannovers.
Als Stichworte für entsprechende Maßnahmen mit längerem planerischen Vorlauf sind in dem Gutachten genannt: integrierte Informations- und Imagekampagne; Kommunikation des Grüns als Lebensqualität für Familien; Initiierung eines Wettbewerbs "Familienfreundliches Wohnen"; Entwicklung und Verbreitung "Familienfreundliche Regeln des Zusammenlebens"; Integration des Familienbezuges in den Sportentwicklungsplan; Beteiligung der Kinder und Jugendlichen in Sportvereinen fördern.
Das Gesamtgutachten stellt auf Anfrage elektronisch zur Verfügung Elke Sauermann, Koordinationsstelle Sozialplanung im Jugend- und Sozialdezernat, Telefon 168-46459.
Fragen zur Methodik des Gutachtens beantwortet Prognos AG, Birte Jessen, Leiterin Unternehmenskommunikation, Telefon 030/52 00 59-222, E-Mail: birte.jessen@prognos.com
Familienpolitik-Gutachten (Zusammenfassung und Stellungnahme)