Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hat die Auswirkungen eines statistisch hundertjährlich eintretenden Hochwasserereignisses („HQ100“) neu berechnet.
Ergebnis der Neuberechnung, das den Ratsgremien am Montag (5. September) präsentiert wurde: Es sind teils mehrere Dezimeter höhere Wasserstände als bisher für das einmal in 100 Jahren auftretende Hochwasserereignis zu erwarten. Bisher getroffene Vorkehrungen zum Schutz vor Hochwasser müssen vor dem Hintergrund dieser neuen Erkenntnisse geprüft werden. Das neu vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiet liegt im Bereich der Städte Laatzen und Hemmingen, der Landeshauptstadt Hannover sowie der Städte Seelze und Garbsen. In allen Städten sind bebaute Bereiche betroffen. Mit der neuen vorläufigen Sicherung liegen jetzt aktuelle Planungsgrundlagen für den Hochwasserschutz vor.
Als Überschwemmungsgebiete werden die Flächen ausgewiesen und vorläufig gesichert, die bei einem statistisch einmal in 100 Jahren auftretenden Hochwasserereignis überschwemmt werden. Die Ermittlung dieser ohnehin natürlich vorhandenen Überschwemmungsgebiete dient einerseits dazu, die Bevölkerung vor der Hochwassergefahr zu warnen und andererseits die mit einem Hochwasser einhergehenden Schäden zu vermeiden, da für ausgewiesene Überschwemmungsgebiete gesetzliche Auflagen gelten. Die endgültige Festsetzung der Überschwemmungsgebiete erfolgt durch die Unteren Wasserbehörden, der Region Hannover.
Seit 2006 wurden als technische Maßnahmen die Abgrabung des Ihmevorlands, die Deichverlängerung Ricklingen und die Aufweitung der Benno-Ohnesorg-Brücke geplant und umgesetzt. Hierfür wurden circa 30 Millionen Euro investiert. Zusätzlich wird die Hochwasservorsorge stetig durch die Anpassung des städtischen Hochwassereinsatzplans an sich ändernde Abflussverhältnisse überprüft. Dies geschieht in Zusammenarbeit der Stadtverwaltung mit aha, enercity, der ÜSTRA, der Polizeidirektion Hannover und dem Land Niedersachsen. Vorsorge muss dabei in verschiedenen Bereichen getroffen werden, von der Bauleitplanung über die Öffentlichkeitsinformation bis hin zum Katastrophenschutz. Seit 1946 ist in Hannover ein derart extremes Hochwasser nicht aufgetreten.
Es wird nun umgehend zunächst ein Konzept mobiler Hochwasserschutzmaßnahmen erarbeitet, um kurzfristig auf die neue Situation reagieren zu können. Dies beinhaltet auch die Abstimmung der zu erwartenden personellen und materiellen Ausstattung.
Bis Oktober 2022 wird zudem ein Antrag auf finanzielle Förderung eines Hochwasserschutzkonzepts beim Land Niedersachsen eingereicht. Dieses Konzept, das Möglichkeiten des Hochwasserschutzes auf Grundlage von u. a. Kosten-Nutzen-Analysen aufzeigt, kann – sobald die Förderung bewilligt wurde – im ersten Quartal 2023 begonnen werden und soll bis Anfang 2024 fertiggestellt sein.
Basierend auf diesem Hochwasserschutzkonzept sollen permanente Hochwasserschutzmaßnahmen, wie zum Beispiel Deiche, Dämme, Verwallungen, erhöhte Wege, geplant und umgesetzt werden. Auch für diese Maßnahmen soll eine finanzielle Förderung des Landes beantragt werden. Voraussetzung dafür ist aber zunächst das Vorliegen eines Hochwasserschutzkonzepts.
Vertreter*innen der zuständigen Behörden äußerten sich wie folgt:
Markus Anhalt vom NLWKN
„Das Überschwemmungsgebiet der Leine stellt eine komplette Neubearbeitung hinsichtlich der Datenbasis und moderner Modelltechnik dar. Hierbei wurden flächendeckend neuste Daten zur Geländehöhe aus der Laserscannerbefliegung des Landes, Daten des Pegels Herrenhausen sowie die Erfahrungen aus dem Sommerhochwasser 2017 berücksichtigt. Ferner wurde die Sohle der Leine und der Verzweigung Schneller Graben / Ihme vermessen und die Öffnungsmaße von über 200 Brücken bestimmt. Alle diese wertvollen Erkenntnisse wurden einbezogen und führen zu neuen belastbaren Ergebnissen. Diese stellen eine aktuelle Planungsgrundlage für Maßnahmen innerhalb des Hochwasserschutzes dar.“
Anja Ritschel, Wirtschafts- und Umweltdezernentin der Landeshauptstadt Hannover
„Städte und Gemeinden müssen sich auf die Zunahme von Extremwetterereignissen einstellen. Dies betrifft sowohl die Überflutungsgefahr durch Gewässerhochwasser als auch durch Starkregen. Die Ergebnisse der Berechnungen machen weitere Hochwasserschutzmaßnahmen notwendig. Wir werden daher unser Hochwasserschutzkonzept an die neuen Erkenntnisse anpassen. Bis zur Fertigstellung baulicher Anpassungen wird der Hochwasserschutz z.B. durch mobile Schutzmaßnahmen sichergestellt.“
Carsten Lange von der Unteren Wasserbehörde (Region Hannover)
„Die neuen Erkenntnisse haben auch Auswirkungen auf die Bauleitplanung. Um die Gefahren nicht noch zu vergrößern, dürfen in Überschwemmungsgebieten grundsätzlich keine neuen Baugebiete im Außenbereich ausgewiesen werden. In schon vorhandenen Baugebieten darf nur mit Genehmigung der Wasserbehörde unter besonderen, gesetzlich festgeschriebenen Voraussetzungen gebaut werden. Gebäude im Überschwemmungsgebiet bleiben einem Risiko ausgesetzt, dass die Bauherren bewusst eingehen. Die Region Hannover hat als untere Wasserbehörde ein Infoblatt „Bauen im Überschwemmungsgebiet“ herausgegeben, welches auf der Internetseite heruntergeladen werden kann.“
Kartenmaterial zu den betroffenen Gebieten sowie eine Presseinformation zum gleichen Thema sind unter www.nlwkn.niedersachsen.de abrufbar.