Positive Zwischenbilanz
Zum Schuljahr 2010/2011 hat der Kommunale Sozialdienst im Fachbereich Jugend und Familie (KSD) zusammen mit dem Kontakt- und Beratungsbüro für Schülerinnen und Schüler "KonneX" der Arbeiterwohlfahrt Region Hannover das Projekt "Vermeidung von schulverweigerndem Verhalten" gestartet. Das Präventionsprojekt gegen "Schulschwänzen" findet mittlerweile an vier Kooperationsschulen statt. Die erste Bilanz, über die die Verwaltung jetzt die Ratsgremien informiert, fällt positiv aus. Das erfolgreiche Projekt wird deshalb fortgesetzt.
Der Umfang massiver Schulverweigerung hat bundesweit und auch an Schulen in Hannover stetig zugenommen. Die in den vergangenen neun Jahren im Fachbereich Recht und Ordnung eingegangenen Anzeigen belegen diesen negativen Trend (2003: 1.075; 2006: 1.287; 2009: 1.545; 2010: 1.525; 2011: 1.735). Die Dunkelziffer dürfte dabei aufgrund nicht kontinuierlichen und uneinheitlichen Dokumentations- und Meldeverhaltens der Schulen noch höher sein. Im Sekundarbereich I sind vor allem Haupt- und Förderschulen und im Sekundarbereich II die Berufsbildenden Schulen betroffen.
"Schulschwänzen beginnt meist mit kurzen Fehlzeiten. Es gefährdet nicht nur einen erfolgreichen Schulabschluss und damit den Start in das weitere Berufsleben, sondern ist häufig Einstieg in ein abweichendes oder auch kriminelles Verhalten. Dazu kommt, dass hinter schulverweigerndem Verhalten vielfältige individuelle, familiäre, sozial- und schulstrukturelle Problemlagen stecken, mit denen im Schulalltag nur schwer umgegangen werden kann. Es ist daher sehr wichtig, eine Verfestigung des Verhaltens zu vermeiden und frühzeitig bei Schülerinnen und Schülern, aber auch bei ihren Eltern oder Erziehungsberechtigten mit Hilfe breit aufgestellter Sachkompetenz zu intervenieren", erläutert Jugend- und Sozialdezernent Thomas Walter den Ansatz des Präventionsprojektes.
Hilfsangebote für Klasse fünf bis zehn
Die Hilfsangebote richten sich an SchülerInnen der fünften bis zehnten Jahrgangsstufen bei ersten Auffälligkeiten. Für Jugendliche mit bereits verfestigter Schuldistanz sind andere Maßnahmen und Projekte vorgesehen (siehe unten).
Das zielgruppen- und problemorientierte Konzept wurde vom KSD in Zusammenarbeit mit MitarbeiterInnen von "KonneX" sowie VertreterInnen der Integrierten Gesamtschule Vahrenheide/Sahlkamp und der Hauptschule Karl-Jatho-Schule entwickelt. An den beiden Schulen wurde es im Schuljahr 2010/11 und ab 2011/12 außerdem im Schulzentrum Badenstedt und der Hauptschule Pestalozzischule/Anderten erprobt.
Die Stadt setzt etwa 140.000 Euro jährlich ein, damit vier SozialarbeiterInnen der AWO das Projekt in den Schulen begleiten können.
Zu deren Aufgaben gehören:
- Beratung von LehrerInnen
- Beratung von Eltern und Kindern beziehungsweise Jugendlichen
- Hausbesuche, um Fehlzeiten anzusprechen und zu klären
- Vermittlung in Praktika (bei schulmüden SchülerInnen)
- Vermittlung in andere Hilfen (Beratung sowie Hilfen zur Erziehung)
- Vermittlung in andere Schulen, Schulformen, Volkshochschul-Kurse, Ersatzschulen (zum Beispiel Werkstattschule)
- Klärung von Leistungsmängeln
- Vermittlung ärztliche psychotherapeutische Hilfen
Ziel ist immer die Wiedereingliederung der SchülerInnen in das Regelschulsystem.
Positive Bilanz
Die Auswertung der Schuljahre 2010/11 und 2011/12 hat gezeigt, dass die Wiedereingliederung durch eine frühe und gezielte präventive Arbeit mit den betroffenen SchülerInnen unter Einbeziehung des Elternhauses sowie außerschulischer Unterstützungssysteme in den Hilfeprozess möglich ist.
Im Folgenden die Ergebnisse im Schuljahr 2011/12: Insgesamt wurden an den vier beteiligten Schulen insgesamt 78 von Schulabsentismus bedrohte Schülerinnen (41 Mädchen, 52,6 Prozent) und Schüler (37 Jungen, 47,4 Prozent) betreut.
Der Anteil der SchülerInnen mit einem Migrationshintergrund lag bei 41 (52,6 Prozent) der gemeldeten Schulverweigerer.
Im Projektzeitraum 2011/12 konnten:
- 40 (51,3 Prozent) betreute SchülerInnen in ihre jeweiligen Stammklassen eingegliedert werden.
- 5 (6,4 Prozent) entwicklungsgefährdete Jugendliche motiviert werden, ihren Schulbesuch in einer anderen allgemeinbildenden Schule der gleichen Regelstufe fortzusetzen.
- 5 (6,4 Prozent) Jugendliche in eine Praktikumsstelle wechseln oder einen beruflichen Ausbildungsplatz finden.
- 18 (23,1 Prozent) Jugendliche in eine Berufsbildende Schule wechseln.
8 (10,3 Prozent) Jugendliche und deren Erziehungsberechtigte waren im Projektverlauf nicht problemeinsichtig und nicht zur Mitwirkung bereit. Bei diesen Jugendlichen droht eine Verfestigung der Schulverweigerungshaltung. Derzeit prüfen die Schulen, ob gegen die Betroffenen ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gemäß § 176 Niedersächsisches Schulgesetz einzuleiten ist. Bei zwei Jugendlichen war die Betreuung im Projektzeitraum noch nicht abgeschlossen.
Außerschulische Maßnahmen der Jugendhilfe bei manifestierter Schulverweigerung
SchülerInnen mit einer verfestigten Schuldistanz werden im Projekt "Vermeidung von schulverweigerndem Verhalten" bewusst nicht berücksichtigt. Sie können in Hannover in Abstimmung mit der Schule und der Landesschulbehörde folgende, auf ihre speziellen Problemlagen ausgerichteten Jugendhilfemaßnahmen in Anspruch nehmen:
Station Glashütte – Außerschulischer Lernort für Schulverweigerer der Arbeiterwohlfahrt Region Hannover e.V. (AWO)
Die Jugendhilfemaßnahme "Station Glashütte" der AWO richtet sich seit November 2000 an schulmüde Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren. Als ein außerschulischer Lernort bietet die Maßnahme ein tagesstrukturierendes Betreuungs- und Unterrichtsangebot, das auf einem festen Stundenplan basiert. Die Jugendlichen werden in Deutsch, Mathematik, Englisch, Sozialkunde unterrichtet und in einem handwerklich-kreativen Werkstattangebot ergotherapeutisch gefördert. Neben der individuellen Förderung und Stabilisierung des Einzelnen liegt das Hauptaugenmerk der Maßnahme "Station Glashütte" auf der Reintegration in das Bildungssystem.
FachWerk – Schulverweigererprojekt der Werk-statt-Schule e.V.
Das Projekt "FachWerk" des freien Bildungsträgers Werk-statt-Schule e.V. ist eine Antwort auf die kontinuierlich steigende Anzahl von Schulpflichtverletzungen in Hannover. Seit März 2011 haben Schulverweigerer ab 14 Jahren, die mit dem herkömmlichen Schulunterricht nicht mehr zurechtkommen, in Werkstätten die Möglichkeit erhalten, über praktische Arbeit ihren Weg zurück in die schulische Ausbildung zu finden.
Hauptschule in freier Trägerschaft, Förderschule für soziale und emotionale Entwicklung und Ergänzungsschule der Werk-Statt-Schule e.V.
Aufgrund der hohen Schulabbrecher- und Schulverweigererquote entwickelte die Werk-statt-Schule Unterrichtskonzepte mit hohen Praxisanteilen in kleinen Lerngruppen für ihre 1998 anerkannte Hauptschule in freier Trägerschaft und für die Förderschule für soziale und emotionale Entwicklung. Der besondere Unterricht dieser Ersatzschulen gewährleistet eine enge, verlässliche und individuelle Betreuung der Jugendlichen.
In der Ergänzungsschule der Werk-statt-Schule können Jugendliche ersatzweise ihre Schulpflicht erfüllen.
Ergänzungsschule der gemeinnützigen Pro Beruf GmbH
Jugendliche, die ihre Schulpflicht im Sekundarbereich I erfüllt haben, aber noch berufsschulpflichtig sind, können dies durch Teilnahme am Hauptschulabschlusskurs der Pro Beruf Ergänzungsschule erfüllen.
Comeback – Schulverweigererprojekt des Diakonischen Werkes Stadtverband Hannover e.V.
Das Schulverweigererprojekt "Comeback" wird seit dem Schuljahr 2009/2010 durch das Diakonische Werk – Stadtverband Hannover vorgehalten und richtet sich mit seinem Hilfsangebot an SchülerInnen der Integrierten Gesamtschule Linden ab der Jahrgangsstufe 5, die schuldistanziertes Verhalten aufweisen und regelmäßig oder über längere Zeiträume dem Unterricht fernbleiben.
Kooperation KSD und Jugendgericht
Trotz Unterstützungsmaßnahmen der Jugendsozialarbeit und Hilfen zur Erziehung gibt es eine Reihe von Schulversäumnissen, die zu Ordnungswidrigkeitsverfahren und der Verhängung eines Bußgeldes führen. Wird das Bußgeld nicht bezahlt, schreibt das Rechtsverfahren bei jugendlichen SchülerInnen die Fallabgabe durch den Fachbereich Recht und Ordnung an das Jugendgericht vor. Das Jugendgericht prüft in Zusammenarbeit mit der Bezirkssozialarbeit der Jugend- und Konflikthilfe im Strafverfahren im KSD, ob mit den Instrumenten der Anhörung der Eltern und der Jugendlichen vor Gericht, mit Auflagen, Hilfen anzunehmen, oder durch Einschränkungen des Sorgerechts dem Schulabsentismus entgegengewirkt werden kann. Neben erzieherischen Maßnahmen und der Einschränkung des Sorgerechts kann das Jugendgericht auch eine Ergänzungspflegschaft mit dem Aufgabenkreis Schulpflicht anordnen.
Pressemitteilung: Stadt Hannover