„Niemand sollte sich jetzt einlullen lassen“
„Zu schön um wahr zu sein“ – das war der erste Gedanke, den die Initiatoren des Volksbegehrens für gute Schulen am Freitagmorgen beim Aufschlagen der Zeitung hatten. Und tatsächlich trifft dieser Gedanke den Sachverhalt genau: Der HAZ Bericht „Regierung Wulff geht auf die Gesamtschulen zu“ entpuppte sich schon im Laufe des Tages als eine Art Nebelkerze.
„Die IGS umfasst die Schuljahrgänge 5 bis 12“ – so steht es schwarz auf weiß in dem jetzt veröffentlichten Erlass des Kultusministeriums, der die Arbeit in den Gesamtschulen regelt. Im Klartext bedeutet das, dass auch hier in Zukunft das Abitur nach zwölf Schuljahren abgelegt wird – eine Wahlfreiheit der Schulen, wie in dem HAZ-Artikel behauptet, ist nicht vorgesehen.
„Wir sind zwar enttäuscht, aber nicht überrascht“, sagt Andreas Henze, einer der Initiatoren des Volksbegehrens. „Ministerpräsident Wulff und Kultusministerin Heister-Neumann haben genau das getan, was wir befürchtet haben. Das ist für uns die Bestätigung, wie wichtig das Volksbegehren ist – niemand sollte sich jetzt einlullen lassen.“
Im Jahrgang 10 wird nach der Maßgabe des neuen Erlasses an der IGS ebenso wie am Gymnasium die Einführungsphase für die Gymnasiale Oberstufe geführt. Damit werden unter anderem Auslandsschulbesuche – im Zuge der Europäisierung des Bildungswesens und des Arbeitsmarktes immer wichtiger – unmöglich gemacht. Und wer in Zukunft das Abitur an einer Gesamtschule nach 13 Jahren ablegen möchte, muss eine Klasse wiederholen: „Dass wiederholt werden muss um die nötige Zeit bis zum Abitur zugestanden zu bekommen, ist keine angemessene Lösung“, kritisiert Andreas Henze.
Auch die gefürchtete Differenzierung bereits in den unteren Klassenstufen der Gesamtschulen findet sich in dem Erlass wieder: Bereits ab Jahrgang 7. müssen Schülerinnen und Schüler in drei unterschiedliche Leistungsgruppen eingeteilt werden – der Kerngedanke der pädagogischen Arbeit an Gesamtschulen wird damit vollständig ausgehöhlt. „Das lange gemeinsame Lernen, von dem alle Beteiligten nachgewiesenermaßen profitieren, wird es nicht mehr geben“, kritisiert Initiator Henze. „Das unter strengen Bedingungen mögliche Ausweichen auf eine innere Fachleistungsdifferenzierung ist da nur ein schwacher Trost.“
Das Volksbegehren für gute Schulen ist Mitte November 2009 an den Start gegangen, um die Bildungsvoraussetzungen in Niedersachsen zu verbessern. Engagierte Eltern, Pädagogen und Schülerinnen und Schüler wollen damit drei Ziele erreichen: Die Rückkehr zu einer Regelschulzeit von 13 Jahren bis zum Abitur an Gymnasien und Gesamtschulen, die erleichterte Neugründung von Gesamtschulen und den Erhalt der pädagogisch gut ausgestatteten Vollen Halbtagsschulen.
Um das gesetzlich geregelte Volksbegehren zu einem Erfolg zu führen, sind genau 608.731 gültige Unterschriften erforderlich, die innerhalb eines Jahres gesammelt werden müssen.