Kunst & Kultur, Mitte

KUBUS FREISPIEL #10

Temporäre Wände, große Installationen und ungewöhnliche Formate verändern die räumliche Wirkung der Städtischen Galerie

Elf Künstler*innen laden in der KUBUS FREISPIEL #10-Ausstellung „Wolkig bis Formstabil“ zu einem Parcours durch ein Spiel der Farben, Formen und Kompositionen. Temporäre Wände, große Installationen und ungewöhnliche Formate erzeugen neue Blickwinkel und verändern die räumliche Wirkung der Städtischen Galerie. Zur Eröffnung der Ausstellung am Freitag (18. November) um 19 Uhr sprechen Anne Prenzler, Leiterin Städtische Galerie KUBUS, und Paula Schwerdtfeger, Kuratorin der Ausstellung. Die Ausstellung ist bis zum 18. Dezember im KUBUS zu sehen.

Gezeigt werden Malerei, Plastik, Video, Installation und Fotografie ebenso wie Keramik und Zeichnung. Der Titel „Wolkig bis Formstabil“ beschreibt die Formensprache der Künstler*innen. Darin steckt das Aktive, Veränderliche und Randlose ihrer Arbeiten, die in der freundschaftlichen wie kreativen Gruppenatmosphäre stetig weitergedacht und verknüpft werden. Genauso steckt in dem Titel das Konkrete, das verdinglichte Objekt, die Festlegung im Raum, die kurzzeitig stabile Verhärtung.Die Künstler*innen Renke Brandt, Constanze Böhm, Kathrin Jobczyk, Jaq Lisboa, Sabine Müller, Maximilian Neumann, Wolfram Sander, David Schomberg, Sophia Schomberg, Christina Stolz und Eduardo Villanueva sind Teil der Ateliergemeinschaften Atoll und SB150EG an der Schulenburger Landstraße in Hannover. Nach der gemeinsamen Präsentation bei ZINNOBER im Herbst 2022 haben sie die Möglichkeit erhalten, im KUBUS auszustellen.

KUBUS FREISPIEL:

Seit mehreren Jahren bietet die Städtische Galerie KUBUS mit dem Format KUBUS FREISPIEL neben den regulären Ausstellungen aktuellen Projekten und ungewöhnlichen Präsentationen einen Raum.

Das Programm:

Künstler*innengespräch
Sonntag, 4. Dezember, 14 Uhr
Anne Prenzler und Paula Schwerdtfeger im Gespräch mit beteiligten Künstler*innen.

SonnTALK
Sprechen, nachdenken, reflektieren, fragen, sagen, bemerken, zweifeln, freuen und schweigen über Kunst – das Vermittlungsangebot lädt alle kunstinteressierten Menschen ein, sich in kleiner Runde über die persönlichen Zugänge zur Kunst auszutauschen.
Jeden Sonntag von 14 bis 15 Uhr – kostenlos und ohne Voranmeldung.

KUBUS ART LAB
Kunstvermittlung für Schüler*innen
Anmeldung und Informationen bei Constanze Böhm unter: kubus.artlab@posteo.de.

Zu den Positionen:

In „Hydromeda“ animiert Sophia Schomberg circa 50 digitale Gemälde zu einer videobasierten Reise in eine organisch mutierende Landschaft. Das Prinzip ist, dass sie die Bilder an den Rändern weitermalt. Ständiges digitale Rauszoomen erzeugt die Illusion von Tiefe. In einem eigens zur Präsentation errichteten Raum kann das Auge des Betrachtenden den Grenzverschiebungen folgen.

Ein ebenfalls additives Bildverfahren hat Constanze Böhm entwickelt, um der Enge und Festigkeit des einmal entschiedenen Leinwandformats zu entkommen. Ihr Gemälde „Walmut“ wird immer weitergemalt, indem an die bestehenden Leinwände weitere angeschlossen werden. Die gesamte Bildfläche verändert sich dadurch. Neue Möglichkeiten entstehen, neue Techniken und Interessen treten in ein Werkkontinuum. Als eigenartiges Format agiert „Walmut“ als räumliche Situation. Im KUBUS ist es wie ein Raumteiler aufgebaut, der die Besuchenden zu einem Standortwechsel bewegt.

Wie dreidimensionale Malerei sind die Displays aufzufassen, die Christina Stolz im Raum spannt. An Holzlatten hängen Stoffassemblagen, fächern sich Holzplatten auf, sind Zeichnungen oder Keramiken arrangiert. Fläche, Linie und Farbe sind ein bühnenhaftes Ganzes, durch das sich die Besuchenden bewegen können.

Bei Maximilian Neumann steht das Gestische im Vordergrund. Durch die Größe seiner bis zu fünf Meter langen Leinwände wird die Malerei körperlich, der Pinselstrich räumlich. Kräftiges Orange, Dunkelgrün, Violett und Blau erscheinen wie visualisierte Musik. Die Leinwände können an der Wand oder mitten im Raum hängen, gefaltet sein wie ein Handtuch oder – wie hier im KUBUS – in der Diagonalen liegen.

Gestisch entwickelt auch David Schomberg seine spontanen Zeichnungen auf weißem Papier, die bewusst als einmalige Setzungen stehen gelassen werden. Ihre Varianz führt die Entscheidung als Grundprinzip künstlerischer Prozesse vor Augen. Die „Erwartungs-halterung Nr. 1“ führt die gezeichnete Linie als Eisenkonstruktion in den Raum.

In Sabine Müllers Arbeiten tritt das Ding in eine stärkere Präsenz als in den bisher genannten Positionen. Der Schreckmoment, in dem etwas passiert, das „Ups!“ des Tollpatschigen, ist in comichafter Abstraktion in pastellene Farbverwehungen gesetzt. Das starke Querformat betont den erzählerischen Charakter der Szenerie. Alltagsgegenstände werden zu Gegenspielern des menschlichen Seins. In an der Wand hängenden Keramiken ist die abstrakte Form als eigenständige Existenz zu betrachten, die sich herausnimmt, den Rahmen zu verlassen.

Wie in einem Mantra reihen Jaq Lisboa und Wolfram Sander in ihrer gemeinsamen Sound-arbeit die Aussagen „Tür öffnet“ und „Tür schließt“ aneinander. Dabei sind die Aussagen jedes Mal leicht variiert, verschoben, neu betont, klanglich abgestimmt, reagierend und fragend. Das Technisch-Animierte des sprechenden Fahrstuhls ist in die ureigene Form menschlicher Äußerung zurückgeführt, von der technischen Funktion in den Raum des Offenen und des Freien.

Diesen Raum bespielt auch Renke Brandt, dessen Fotocollagen die dingliche Welt mit der abstrahierten Wirklichkeit verbinden. Für die Präsentationsweise komponiert er eine Gesamtschau aus einzelnen Motiven. Absurde Formen, bizarre Farbkonstellationen und irritierende Raumaufnahmen stehen im Wechselspiel mit deutlich erkennbaren Hunden, Eisbechern, Glitzer oder Chips. Auch das Plakatmotiv der Ausstellung gehört in diese Reihe: Ein Geist, der sich aus den öligen Verwischungen auf einem Teller mit Salatresten ergibt.

Dem rituellen Verhältnis zur Dingwelt widmet sich Eduardo Villanueva. Während seines Aufenthalts bei den Huicholen, mexikanische Native, hat er die Besonderheit der Schalen erfahren, deren Inhalt in eine übersinnliche, spirituelle Welt führen kann. Die Schalen – nun aus Keramik nachempfunden, arrangiert und farblich gefasst – erhalten eine kosmische Bedeutung, die im heilenden Prozess künstlerischer Praxis erkundet wird.

Mit mutierenden Materialen, formverändernden und konsistenzverschiebenden Substanzen arbeitet Kathrin Jobczyk. Die farblich fein abgestimmten Leitern in „Rising and Falling“ geben in ihrer Form etwas vor, das sie nicht halten können: Sie sind aus gefülltem Stoff. An ihnen hoch- oder runterzusteigen ist ausgeschlossen. So verschwimmt Märchenhaftes mit Absurdem. In einem Video, das nach dem abendlichen Schließen des KUBUS für wenige Stunden von außen zu sehen ist, zeigt sie einen sich autonom bewegenden Stoff, schmelzendes Eis, das als lichterne Projektion magisches Unbehagen auslösen kann.

Bildquellen:

  • Galerie Kubus: www.hannover-entdecken.de