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Ballhof Hannover

Der Ballhof Hannover, ein Gebäude mit mehr als 350 Jahren Geschichte, prägt den vielleicht schönsten Platz der Landeshauptstadt. Auf jeden Fall eine der wichtigsten Sehenswürdigekeiten in Hannover. Er wurde 1649 als Ort für den Ballsport der Adligen erbaut. Es besteht aus vier fensterlosen und massiven Bruchsteinmauern, die von einer umlaufenden Fachwerkgalerie mit Lichtöffnungen und einem mächtigen Dach gekrönt werden. 1938 wurde das Dach während der Altstadtsanierung abgedeckt und ein Meisterwerk der Zimmermannskunst offenbart. Die Saaldecke besteht aus zwölf Meter langen Eichenbalken, die auf einem Längsträger von mehr als 30 Meter Länge ruhen.

Nach seinem Bau ging der Ballhof in privaten Besitz über und die Nutzungen wechselten. Da das Ballspiel aus der Mode kam, wurde das Gebäude durch den Einbau von Fenstern winterfest gemacht, um Feste feiern und Theatervorführungen auszurichten. Die Karnevalszeit zwischen Januar und Aschermittwoch war besonders beliebt. Die erste Theateraufführung im Ballhof durch eine „Gesellschaft italienischer Comödianten“ wurde am 8. Mai 1752 dokumentiert. Später kamen Kunstreiten, Wachsfiguren- und Zaubertheater sowie Tierschauen hinzu. Aufgrund seiner guten Akustik war der Ballhof auch ein sehr beliebter Ort für Konzerte und Abonnementkonzerte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

In der Reihe Hannover Wissen erzählt die freie Mitarbeiterin Karo vom Historisches Museum Hannover die Geschichte des Ballhofes.

Hannover Wissen (10) Der Ballhof und seine Geschichte

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Etwa 1850 hatte der Ballhof seine Funktion als zentrale Aufführungs- und Vergnügungsstätte an moderne, attraktivere Säle verloren. Stattdessen wurde es ein wichtiger Ort für politische Versammlungen. Im März 1848 vereinbarten die Anwesenden bei einer Bürgerversammlung im Ballhof „Forderungen des Volkes“, um König Ernst August zu beschweren. Diese politischen und wirtschaftlichen Reformen brachten Juden zum ersten Mal volle gesetzliche Gleichheit. Jedoch wurden sie wenige Jahre später von Georg V. rückgängig gemacht. Nach der Annexion des Welfenreichs Hannover durch Preußen 1866 begann die industrielle Entwicklung der Stadt.

Ballhofplatz mit Straße

Ballhofplatz mit Straße in den 90er Jahren

Durch Zuwanderung stieg die Bevölkerung, was zu einem Industrieproletariat führte, das sich im Ballhof organisierte. Im Mai 1867 war es die Wiege der hannoverschen Sozialdemokratie und im Juli 1890 gründete sich dort der Fabrikarbeiterverband als Zusammenschluss vor allem ungelernter Arbeiterinnen und Arbeiter der Montan-, Chemie- und Papierindustrie. Im Ersten Weltkrieg wurde der Ballhof zu einem Zentrum für schwul-lesbisches Leben mit dem Kino „Nationaltheater“ und dem Gesellschaftsclub „Aada“. 1929 stand er kurz vor dem Abriss, doch 1936 kaufte die Stadt ihn zur Sanierung.

Sanierung während der NZ-Zeit

Blick um 1900 durch die Ballhofstraße in Richtung Knochenhauerstraße.

Blick um 1900 durch die Ballhofstraße in Richtung Knochenhauerstraße.

Vor dem Zweiten Weltkrieg war Hannover Heimat des größten Fachwerkviertels Deutschlands, bestehend aus Altstadt und Calenberger Neustadt. Trotz idyllischer Gassen und Mondschein auf der Leineinsel, versteckten sich hinter den Fassaden schreckliche Wohnbedingungen. Die Industrialisierung und die damit einhergehende Bevölkerungsexplosion führten zu einer dramatischen Überbelegung der Innenstadt. Höfe wurden mit Hinterhäusern bebaut, ehemalige Speicher, Ställe, Dachböden und Werkstätten in Mietwohnungen verwandelt. Die sanitären Bedingungen waren entsetzlich. Diese Quartiere der Not waren auch Brennpunkte sozialer und politischer Radikalisierung in der letzten Phase der Weimarer Republik. Auf den Straßen herrschte oftmals Gewalt und die ehemalige Rotlichtkneipe „Kreuzklappe“ hatte sich zum „Sturmlokal“ der nationalsozialistischen Schlägertruppe SA entwickelt.

Es gab bereits Pläne zur Sanierung der Altstadt, bevor die Hakenkreuzfahne über dem Rathaus wehte. Die Nationalsozialisten stellten sich jedoch als energische Gestalter dar. Der durch die NS-Propaganda begleitete Bau des Maschsees 1934-1936 machte den Anfang. Anschließend sollte die sogenannte „Altstadtgesundung“ die Gegend um Kreuzkirche und Ballhof umfassen. Die für dieses Projekt benötigten Zuschüsse aus Berlin wurden 1936 bereitgestellt. Es folgten zahlreiche Propagandabeiträge der gleichgeschalteten Presse.

Im Juli 1936 begann man in der engen Ballhofstraße mit dem Abbruch der Hintergebäude und der Neugestaltung der Vorderhäuser. Dadurch kam der verborgene historische Ballhof zum Vorschein. Sein Vorplatz wurde als begrünte Grünanlage geplant. Kurz darauf entschied man sich dafür, im Ballhof einen Raum für die Hitler-Jugend einzurichten. Die „Niedersächsische Tageszeitung“ jubelte darüber. Im Sommer 1939 wurde dieser Teil der Altstadtsanierung abgeschlossen. Hierbei wurden 310 Wohnungen auf 83 verkleinert, aber größer, heller und moderner. Die Adressbücher von 1933 und 1940 zeigen einen deutlichen Wechsel der Bewohner: Wo zuvor Arbeiter, Handwerker, Alleinstehende und Dienstleistende wohnten, zogen jetzt vorwiegend städtische Beamte und Angestellte ein. Ein Dreieck aus dem HJ-Heim, dem SA-Treffpunkt in der Kreuzstraße und dem Polizeirevier im Burgstraße/Ballhofstraße-Eckhaus sorgte für soziale Säuberung und politische Kontrolle.

Der Ballhof als Zentrum des NS Staatsjugend-Komplexes

Der renovierte Ballhofsaal, der Platz für etwa 500 Personen und eine Bühne zur Abhaltung von Feiern und Versammlungen bot, bildete das Zentrum des Staatsjugend-Komplexes. Er wurde mit einer einstöckigen „Ehrenhalle“ mit dem neu errichteten Heim der Hitlerjugend (HJ) und, an die Burgstraße angrenzend, dem historischen Spitta-Haus des Bundes Deutscher Mädel (BDM) verbunden. Der Ballhofplatz, der das Ensemble umgab, war jedoch nicht, wie versprochen, als „Schmuckplatz“ mit Rasen, Blumen und Bänken, sondern gepflastert für die Aufmärsche und Fahnenappelle der Staatsjugend gestaltet.

Der neue Ballhof als Bühne der Hitlerjugend 1939

Der neue Ballhof als Bühne der Hitlerjugend 1939

Der Zugriff des Staates auf die Jugend war total. Parteiführer Adolf Hitler beschrieb 1938 in einer Rede, dass Jugendliche ab 10 Jahren lückenlos verschiedene NS-Organisationen durchliefen und er schloss mit dem Satz: “ … und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben!“. Dabei griffen HJ und BDM Elemente der früheren Jugendbewegung auf, um sich von der alten, „verknöcherten“ Gesellschaft abzusetzen. Dies spiegelt sich auch in dem Sinnspruch auf der Stirnseite des ehemaligen BDM-Heims wider: „Wir Jungen haben die Aufgabe, neue Wege zu suchen und zu bahnen und den Mut, sie zu gehen“ (NS-Dichter Georg Stammler 1872–1948). In unmittelbarer Nähe finden sich zwei Symbole mit einem direkten Bezug zum Nationalsozialismus: Die Wolfsangel, das Zeichen der SS-Elitedivision „Das Reich“, und die einfache oder doppelte Sig-Rune, das Emblem des Deutschen Jungvolks in der Hitlerjugend bzw. der Schutzstaffel (SS).

Es gab sechs Scharräume, in denen es möglich war, Radiosendungen mit Ansprachen von Adolf Hitler über Lautsprecher zu verfolgen. Zeitzeugen berichten, dass sie nach Veranstaltungen im Ballhof zum „freiwilligen“ Eintritt in die Waffen-SS gedrängt wurden. Nach den Luftangriffen im Oktober 1943 wurden die Dienststellen der HJ am Ballhof zentralisiert.

Im Mai 2011 wurde ein schräger Boxring errichtet, um an den Sinto-Boxer Johann „Rukeli“ Trollmann zu erinnern, der 1933 aus rassistischen Gründen den Titel des deutschen Meisters im Halbschwergewicht verweigert bekam und später im Konzentrationslager starb. Er wuchs in ärmlichen Bedingungen unweit der Kreuzkirche auf und startete seine Karriere in der Nähe des Ballhofplatzes.

Der Ballhof Hannover – Heute einer der schönsten Plätze der Stadt

Abenstimmung am Ballhof

Abenstimmung am Ballhof

Heute ist der Ballhofplatz ein Ort voller Kultur und Erinnerungen. Er befindet sich zwischen der Marktkirche und der Leineufer, der Kramerstraße und der kleinen Gartenstadt um die Kreuzkirche, wo es eine verkehrsarme Insel der Ruhe mit Altstadt-Flair gibt. Der „Rote Faden“ verbindet den Ballhofplatz mit anderen Sehenswürdigkeiten der Stadt und er ist auch der Standort des Historischen Museums und der Ada und Theodor Lessing Volkshochschule in der Burgstraße.

Im Sommer können sich Besucherinnen und Besucher auf Liegestühlen entspannen und in den beiden Theatern Open-Air-Jazzkonzerte, die Tangonacht und andere kulturelle Veranstaltungen besuchen. Im Winter lockt das finnische Weihnachtsdorf mit skandinavischen Köstlichkeiten und ein Mittelaltermarkt lässt vergangene Zeiten wiederaufleben.

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Bildquellen:

  • Ballhof und Marktkirche: www.hannover-entdecken.de
  • Ballhofplatz mit Straße: www.hannover-entdecken.de
  • Blick zum Ballhof: www.hannover-entdecken.de
  • Ballhof am Abend: www.hannover-entdecken.de
  • Ballhof und Kreuzkirche: www.hannover-entdecken.de
  • Ballhof Eins: www.hannover-entdecken.de
  • Blick um 1900 durch die Ballhofstraße in Richtung Knochenhauerstraße.: Von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Astholz_junior" class="extiw" title="de:Friedrich Astholz junior">Friedrich Astholz junior</a> - Scan vom Original: <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Bernd_Schwabe_in_Hannover" class="extiw" title="de:Benutzer:Bernd Schwabe in Hannover">Bernd Schwabe in Hannover</a>, Gemeinfrei, Link
  • Der neue Ballhof als Bühne der Hitlerjugend 1939: Von <a href="//commons.wikimedia.org/wiki/User:B%C3%A4rbel_Miemietz" title="User:Bärbel Miemietz">Bärbel Miemietz</a> - <span class="int-own-work" lang="de">Eigenes Werk</span>, CC BY-SA 4.0, Link
  • Abenstimmung am Ballhof: www.hannover-entdecken.de
  • Ballhofplatz: www.hannover-entdecken.de