"Das VW-Gesetz hat in seiner Geschichte immer wieder bewiesen, welche herausragende Bedeutung die Regelungen der erweiterten Mitbestimmung zur Sicherung der Standorte und Arbeitsplätze bei Volkswagen haben." Das erklärten die Oberbürgermeister und Bürgermeister der VW-Standorte Wolfsburg, Hannover und Baunatal anlässlich eines Treffens mit EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier heute (Mittwoch) in Straßburg.
Die wiederholten Versuche der EU-Kommission zur Abschaffung des VW-Gesetzes seien nicht nur schädlich für die wirtschaftliche Entwicklung von Volkswagen, sondern auch für die Wahrnehmung Europas in Deutschland, betonten Wolfsburgs Oberbürgermeister Klaus Mohrs, Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil und der Bürgermeister von Baunatal, Manfred Schaub, bei dem gut einstündigen Gespräch.
Die von der EU-Kommission angekündigte Klage sei der erneute Versuch, die Arbeitnehmerinteressen bei Volkswagen zu schwächen. Dies untergräbt nach Ansicht der drei Kommunalpolitiker auch die Akzeptanz der europäischen Einigung bei den Bürgern: "Wenn die Kapitalverkehrsfreiheit über den Interessen der Beschäftigten steht, wird der europäische Gedanke diskreditiert." Die Einigung Europas werde nur unterstützt, wenn man ihnen die Angst vor Arbeitsplatzverlust und Lohn- und Sozialdumping nehme. Eine erneute Klage gegen das VW-Gesetz werde die Skepsis der deutschen Bevölkerung gegenüber den europäischen Institutionen eher verstärken.
OB Weil: Standortpolitik bei VW nicht internationalen Finanzinvestoren überlassen
"Die Standortpolitik von VW darf nicht von internationalen Finanzinvestoren bestimmt werden. Daher ist der Erhalt des VW-Gesetzes von zentraler Bedeutung, nicht nur für die deutschen Werke", sagte Hannovers Oberbürgermeister Weil.
Das VW-Gesetz und die starke Mitbestimmung waren und sind aus Sicht der Kommunalpolitiker Erfolgsgaranten für den VW-Konzern. Die Erfahrungen der jüngsten Wirtschafts- und Finanzkrisen machten deutlich, dass die starke Mitbestimmung des VW-Gesetzes eher Vorbild auch für andere Unternehmen sein sollte.
Ein erneutes Vorgehen der EU-Kommission gegen das VW-Gesetz sei auch in der Sache falsch: Der Europäische Gerichtshof hat im Oktober 2007 nicht das VW-Gesetz in seiner Gesamtheit, sondern nur einzelne Regelungen für europarechtswidrig erklärt. Betroffen waren als Einzelregelung die besonderen Entsenderechte der Bundesrepublik und des Landes Niedersachsen in den Aufsichtsrat des Volkswagenkonzerns. Darüber hinaus rügten die Richter das Zusammenspiel der Stimmrechtsbeschränkung auf 20 Prozent und des Mehrheitserfordernisses von 80 Prozent plus 1 Aktie bei wichtigen Entscheidungen in der Hauptversammlung.
Die damalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat in der Neufassung des VW-Gesetzes diese Punkte berücksichtigt, ohne das gesamte Gesetz in Frage stellen zu müssen. Das Mehrheitserfordernis von mehr als 80 Prozent konnte Bestandteil des VW-Gesetzes bleiben, weil dies nach dem Urteil des EuGH nur in Verbindung mit der Stimmrechtsbeschränkung europarechtswidrig gewesen sei. Damit wurden die Vorgaben des EuGH erfüllt und gleichzeitig wichtige Schutzfunktionen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Volkswagen erhalten.
Mohrs, Weil und Schaub erläuterten dem EU-Kommissar auch die zentrale Bedeutung der wirtschaftlichen Stabilität von Volkswagen für die jeweilige Region. Über die Beschäftigten bei VW hinaus (Wolfsburg 49.000, Hannover 12.500, Baunatal 13.500) ist das jeweils sechs- bis achtfache an Arbeitsplätzen im Umfeld direkt oder indirekt mit VW verbunden. Gerade deshalb müsste in einer Phase, in der in Europa genug Krisenherde zu bearbeiten sind, das Interesse der Europäischen Union groß sein, funktionierende Bereiche zu erhalten. EU-Kommissar Barnier zeigte in dem Gespräch einerseits Verständnis, verwies aber auf die rechtliche Position in der Kommission.
"Wir machen uns in Hannover große Sorgen um den Erhalt des VW-Gesetzes, weil VW Nutzfahrzeuge der mit Abstand größte Arbeitgeber in der Landeshauptstadt ist. Es geht nicht nur um die 12.500 Beschäftigten im Werk Hannover-Stöcken selbst, sondern auch um tausende Jobs bei den vielen Zulieferern aus der Region", sagte Weil. "Das Werk von VW Nutzfahrzeuge hängt maßgeblich von der Modellpolitik des Konzerns ab und ist dabei in der Vergangenheit stets sehr gut berücksichtigt worden."