Familien

Inobhutnahme von sieben Kindern aus einer Familie in Bemerode – Jugendamt stellt sich Kritik

Im Zusammenhang mit den Ereignissen um die Bemeroder Familie G. ist Kritik an den Verfahrensweisen und Entscheidungen des hannoverschen Jugendamtes geübt worden.

Hierzu wird vom Jugendamt der Stadt Hannover auf Folgendes aufmerksam gemacht:

  1. Im Fall der Familie G. handelt es sich um einen von besonderer Schwierigkeit und sich überschneidenden Problematiken gekennzeichneten Fall der erzieherischen Hilfen. Die seit rund einem Jahr (erneut) andauernde Zuständigkeit des hannoverschen Jugendamtes war gekennzeichnet von einer Vielzahl von Beratungs-, Gerichts- und Besuchsterminen , die sich sämtlich in der schwierigen Gratwanderung des Abwägungsprozesses zwischen Kindeswohl und Erhalt des familiären Zusammenhanges bewegten. Dabei sind die Jugendamtsmitarbeiter sowie die von ihnen beauftragten sozialen Dienste Freier Träger – dem Gesetzesauftrag folgend – in allererster Linie darum bemüht gewesen, eine Gefährdung abzuwenden und den Zusammenhalt zwischen der Mutter und ihren sieben Kindern aufrecht zu erhalten.
  1. Der Erfolg der eingeleiteten Maßnahmen zur erzieherischen Hilfe muss in diesem Fall aus heutiger Sicht auch kritisch beurteilt werden: Insbesondere aufgrund der in den letzten Wochen aufgetretenen fehlenden Kooperationsbereitschaft der Mutter hätte die Betreuungsintensität der Familie aus heutiger Sicht erhöht werden können. Dies spiegelt sich auch in dem Umstand wieder, dass der Kommunale Sozialdienst eine Gerichtsentscheidung über den Entzug des Sorgerechtes bereits vorbereitet hatte, bevor die Situation am 16. September 2009 eskalierte.
  2. Abweichend von anderen Erkenntnissen haben die MitarbeiterInnen des Jugendamtes bei zahlreichen Hausbesuchen immer wieder Wohnverhältnisse vorgefunden, die so geordnet waren, dass es keiner unmittelbaren Herausnahme der Kinder bedurfte. Hierbei ist auch von Beachtung, dass Hausbesuche des Jugendamtes aus rechtlichen Gründen grundsätzlich nur nach Anmeldung durchgeführt werden können. Die Einschätzung, dass jedenfalls bis zum Mittwoch dieser Woche durch die Wohnverhältnisse keine unmittelbare Gefährdung der Kinder vorlag, die eine Herausnahme der Kinder gerechtfertigt hätte, ist im Übrigen auch in der engen Kooperation mit dem zuständigen Familiengericht wiederholt bestätigt worden.
  3. Auch der von der Polizeidirektion Hannover hervorgehobene Polizeieinsatz am 5. April 2009 hat zu unmittelbaren Handlungen des Jugendamtes geführt: Ein ummittelbar nach Eingang des polizeilichen Berichts durchgeführter Hausbesuch hat auch in diesem Fall eine im Ganzen aufgeräumte Wohnung ergeben.
  4. Die Strafanzeige einer Tochter Ende Juli 2009 in Hamburg hat ebenso unmittelbare Maßnahmen des Jugendamtes zur Folge gehabt: Der Kommunale Sozialdienst hat mit dem in Hamburg zuständigen Allgemeinen Sozialen Dienst für den Schutz der Jugendlichen gesorgt. Aufgrund des Inhalts der Strafanzeige wurde umgehend eine Prüfung der häuslichen Situation durchgeführt. Später ist die Jugendliche – ebenfalls auf eigenen Wunsch – wieder zur Mutter zurückgekehrt.
  5. Die generelle Frage der Erziehungsfähigkeit der Mutter ist im Auftrag und in Abstimmung mit dem Familiengericht in den Jahren 2008 und 2009 jeweils im Rahmen unabhängiger Gutachten geprüft und als gegeben eingestuft worden. Auch diese Erkenntnisse haben gegen eine Herausnahme der Kinder gesprochen.
  6. Hinsichtlich der genannten Vielzahl von Polizeieinsätzen im Zusammenhang mit der Familie ist das Jugendamt für die erwähnten Beleidigungen und Nachbarschaftskonflikte nicht zuständig; i m Falle von fünf Ladendiebstählen ist das Jugendamt informiert worden und hat die daraufhin eingetretene Situation mit der Familie und dem Gericht besprochen. Anlass für eine sofortige Herausnahme der Kinder aus der Familie konnten auch diese Anzeigen nicht darstellen.

Jugenddezernent Thomas Walter stellte zusammenfassend fest, dass die MitarbeiterInnen des Jugendamtes in der Familie die zum jeweiligen Erkenntniszeitpunkt angebrachte Erziehungshilfe geleistet haben. "Wir müssen allerdings auch zur Kenntnis nehmen, dass die Zusammenarbeit mit der Mutter sich zunehmend schwieriger dargestellt hat und deswegen auch kein durchgängiger Erfolg der betreuenden Maßnahmen zu verzeichnen war. Grundsätzlich stellt die Trennung von sieben Kindern von ihrer Mutter eine so schwerwiegende Entscheidung dar, dass hier eine besonders aktuelle Gesamtschau aller Umstände notwendig ist."

Der Dezernent kündigte an, dass das Jugendamt dem Jugendhilfeausschuss in seiner Sitzung am 28. September 2009 einen ausführlichen Bericht über die Vorfälle um die Familie G. erstatten wird.