In Sachen Bildung nimmt sich China ein Beispiel an Deutschland – jedenfalls, wenn es um die Berufsausbildung im Automobilbereich geht. Eine Delegation aus der ostchinesischen Provinz Anhui hat sich am Mittwoch Nachmittag die Berufsbildende Schule (BBS) 6 der Region Hannover in der Calenberger Neustadt angeschaut. Zu den Gästen zählten der Vizegouverneur, der Bildungsminister und der Vizeaußenminister der Provinz Anhui sowie drei Hochschulvertreter. Schulleiter Michael Sternberg und Lehrer Klaus Bierschenk zeigten den Besuchern, wie sich der Berufsschulunterricht praxisnah gestalten lässt. Die Verzahnung von Theorie und Praxis sei in Deutschland vorbildlich, sagte Erwin Jordan, Sozialdezernent der Region Hannover: „Unser duales Ausbildungssystem hat sich bewährt.“
Ein Schulsystem, das den theoretischen Unterricht mit der Arbeit im Betrieb verknüpft, gibt es in China noch nicht. Die Ausbildung erfolgt dort ausschließlich schulisch. Das soll sich in Zukunft ändern: Mitarbeiter der BBS 6 helfen bereits mit, in der Stadt Tongling (Provinz Anhui) ein Berufsbildungszentrum nach deutschem Vorbild aufzubauen. Klaus Bierschenk leitet das Projekt und entwirft unter anderem Lehrpläne für die künftigen Auszubildenden der Kraftfahrzeugmechatronik. „Die deutsche Schule arbeitet sehr gut mit der Provinz Anhui zusammen“, lobte der Vizegouverneur der Provinz, Xie Guangxiang.
Die Auszubildenden an der BBS 6 müssen nicht nur lernen, wie man Motoren auseinander nimmt, sondern müssen auch mit der komplizierten Elektronik moderner Fahrzeuge umgehen. Davon konnten sich die chinesischen Vertreter im Elektronik-Labor der Schule ein Bild machen. Überall auf den Tischen standen Steckbretter, auf denen sich aus Kabeln, Widerständen und anderen elektronischen Bauteilen Schaltkreise aufbauen lassen. „Die Schüler arbeiten hier immer in Zweierteams zusammen. Anhand der Signale müssen sie Fehler erkennen“, erklärte Bierschenk. „Die Schüler arbeiten sehr selbstständig und praxisorientiert. Der Unterricht, den wir hier machen, ist in China genauso möglich.“
An qualifizierten Mechatronikern, die moderne Autos reparieren können, fehlt es derzeit in China. Die Ausbildung solcher Fachkräfte zu verbessern, ist laut Sternberg auch gut für die Wirtschaft in der Region Hannover. Firmen wie Volkswagen oder Continental haben Werke in China und profitieren vom qualifizierten Nachwuchs. Und auch der Autoabsatz in China werde stärker steigen, „wenn die Käufer nicht fürchten müssen, dass das Auto still steht, sobald der erste Fehler auftritt – weil es keiner reparieren kann“, erklärt der Schulleiter.
Die Delegation aus China ist seit Dienstag in Niedersachsen zu Gast und besichtigt unter anderem auch die Fachhochschulen in Hannover, Wilhelmshaven und Osnabrück. Seit 25 Jahren pflegt Niedersachsen die Partnerschaft mit Anhui. Die Provinz liegt im Osten Chinas und ist mit einer Fläche von etwa 139.400 Quadratkilometern fast dreimal so groß wie Niedersachsen. Mehr als 62 Millionen Menschen leben in der Anhui – das sind achtmal so viele wie in Niedersachsen. Die Stadt Tongling, in der das Berufsbildungszentrum entstehen soll, ist für chinesische Verhältnisse klein: Etwa 700.000 Menschen leben dort.
PM: Region Hannover