Familien

Bundesweit erste Clearingstelle für Kinder und Jugendliche in Not feiert 10. Geburtstag

Die Clearingstelle Hannover für gefährdete Kinder und Jugendliche existiert seit genau zehn Jahren. Ein Grund zum Feiern – denn mit der Gründung betraten Jugend- und Sozialdezernent Thomas Walter und der Kommunale Sozialdienst der Stadt in Zusammenarbeit mit Polizei und Institutionen der Jugendhilfe bundesweit Neuland. Eine solche Soforthilfe-Einrichtung, die rund um die Uhr für Eltern, Polizei, besorgte BürgerInnen und andere Institutionen erreichbar war, gab es bis dato in der deutschen Jugendhilfe-Landschaft nicht. Entsprechend hoch waren Aufmerksamkeit und Anerkennung. Inzwischen sind andere Städte gefolgt, darunter Berlin und Hamburg, wenn auch mit anders organisierter Trägerschaft.

"Wir sind den richtigen Weg gegangen. Das hat nicht zuletzt der mittlerweile im Bundesgesetz verstärkte Schutzauftrag bei der Gefährdung des Kindeswohls gezeigt", sagt Thomas Walter anlässlich des 10. Geburtstages der Clearingstelle, der an diesem Donnerstag (30. September) mit einem Empfang im Neuen Rathaus offiziell gefeiert wird. "Der Rückblick auf zehn Jahre Clearingstelle dokumentiert eindrucksvoll, wie wichtig und wegweisend die Entscheidung war, mit dieser zentralen Einrichtung die Inobhutnahme gefährdeter Kinder und Jugendliche in der Landeshauptstadt Hannover grundlegend zu ändern und damit deutlich zu verbessern", resümiert Walter.

Hannover Polizeipräsident Uwe Binias zieht ebenso eine positive Bilanz der Clearingstelle. "Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist ein zentrales Anliegen des Kommunalen Sozialdienstes der Landeshauptstadt. Auch für die Polizeidirektion Hannover ist das Thema "Opferschutz" – und damit ganz oft auch Kinderschutz von hoher Bedeutung", sagt Binias. Dafür sei die Clearingstelle seit nunmehr zehn Jahren ein ganz wichtiger Partner. "Sie ist Stelle für Beratung und Krisenintervention rund um die Uhr und gleichzeitig Zentralstelle für Inobhutnahmen. Nicht zuletzt in Fällen von häuslicher Gewalt, wo meist zuerst die Polizei vor Ort in der Pflicht ist, ist die Clearingstelle eine Stütze unserer Zusammenarbeit."

Ausgangspunkt war vor einem Jahrzehnt die Erkenntnis, dass für schnelle Hilfe und Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und Eltern im Krisenfall ein neues, verbindliches System geschaffen werden musste. Mit der Clearingstelle wurden getrennte Zuständigkeiten in der Jugendhilfe zusammengefasst, um Kinder und Jugendliche wirkungsvoll betreuen und weitervermitteln zu können. Heute verbleiben sie im Krisenfall durchschnittlich eine gute Woche in der Clearingstelle in der Nikolaistraße 13, bis geklärt ist, welche weiteren Jugendhilfemaßnahmen für sie passen.

Stadtrat Walter hebt als Erfolg der Clearingstelle hervor, dass Fachkräfte in Krisen den Betroffenen häufig schnell helfen können. "Oftmals können durch das pädagogische Personal Inobhutnahmen und damit Unterbringung in Heimen oder Pflegefamilien ganz vermieden werden. Das konnte nur gelingen durch die verlässliche Zusammenarbeit mit der Polizei und den Trägern und Institutionen der Jugendhilfe", betont Walter. Mehr als 3000 Kinder und Jugendliche im Alter bis zu 17 Jahren wurden bisher von den derzeit rund ein Dutzend MitarbeiterInnen, darunter acht PädagogInnen, in Obhut genommen. Bei fast ebenso vielen half bereits eine intensive Beratung und Betreuung.

Die Clearingstelle kann sowohl von Kindern und Jugendlichen, deren Eltern als auch von Institutionen und der Polizei angefragt werden. Neben einer Unterbringung in Einrichtungen des Heimverbundes besteht für Kinder bis zehn Jahren aus dem Stadtgebiet die Möglichkeit, für eine befristete Zeit in Bereitschaftspflegefamilien betreut zu werden. Die fachliche Eignung der Bereitschaftspflegefamilien wird vom Kommunalen Sozialdienst geprüft.

Nach dem Start am 15. September 2000 zunächst als Modellversuch (für zwei Jahre) stellte sich schnell heraus, dass die Einrichtung unverzichtbar war. Im Laufe der Zeit veränderten die konkreten Erfahrungen die Krisenarbeit. Es zeigte sich, dass innerfamiliäre Krisen oft komplex und widersprüchlich verlaufen, Eltern immer häufiger Beratung und Unterstützung in Erziehungsfragen suchen oder Kinder und Jugendliche zwischen unterschiedlichen Hilfsangeboten wie Schule, Jugendhilfe oder auch Psychiatrie wandeln und häufig keine verlässlichen Beziehungen mehr eingehen können.

Für die MitarbeiterInnen der Clearingstelle bedeutet dies neben Beratung und Unterstützung zunehmend auch unmittelbares Eingriffen zum Wohle von Kindern, wenn Eltern aufgrund schwerwiegender eigener Probleme, wie etwa Sucht keine angemessene Erziehung für ihre Kinder garantieren können. Die Clearingstelle ist damit über die Inobhutnahme hinaus zu einem umfassenden Krisendienst zwischen Elternarbeit und Kinderschutz geworden.