Kinder sollen gesund aufwachsen, spielen und toben, sprechen und lernen, kurz: teilhaben können – und zwar unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern. Für viele Kinder sieht die Realität heute anders aus. Die Stadt Hannover hat daher den "Hannoverschen Weg" für "Perspektiven von Kindern in Armut" entwickelt – ein Konzept, das Zielgruppen, Angebote und Chancen skizziert, strukturiert und bündelt, Partner benennt und zur Nachahmung anregt. Oberbürgermeister Stephan Weil und Jugend- und Sozialdezernent Thomas Walter haben die Drucksache "Hannoverscher Weg" und die grundlegende Datensammlung "Kinderarmut in Zahlen", die jetzt den Ratsgremien zur Information vorliegen, heute (15.April) vorgestellt.
"Überall in Deutschland – und damit auch in der Landeshauptstadt Hannover – sind Kinder besonders von Armut betroffen: Jedes dritte bis vierte Kind wächst in einer Familie auf, die arm an Einkommen ist – das sind rund 22.000 Kinder und Jugendliche in Hannover", erläutert der Oberbürgermeister. "Es ist eine zentrale Aufgabe von Politik und Verwaltung, dafür zu sorgen, dass sie uns nicht verloren gehen – weil sie eben nicht teilhaben können, sich ausgegrenzt fühlen oder ausgegrenzt werden."
An der materiellen Armut von Familien können Kommunen wenig verändern.
"Wir können aber in die Rahmenbedingungen für Bildungschancen oder Gesundheit der Kinder investieren. So hat der Ausbau von Kinderbetreuung oder Ganztagsschulen für uns hohe Priorität", unterstreicht Weil. Er hebt dabei auch die Rolle der Stadt als Impulsgeber oder Koordinator hervor: "Der Kinderarmut zu begegnen, ist eine Querschnittsaufgabe, die nicht allein bei der Kommune liegt. Hier sind viele Bereiche der Stadtgesellschaft als strategische Partner gefragt. Es sind die Partner, die sich in Hannover als Wohlfahrtsverbände, Kirche, Vereine, Institutionen und engagierte Privatpersonen seit langem für Kinder und Menschen in Armut einsetzen – und die daher ein wesentlicher Teil des "Hannoverschen Weges" sind."
Der "Hannoversche Weg" umschreibt den lokalen Beitrag, Kindern und Jugendlichen Perspektiven und Chancen zu eröffnen – unter Einbeziehung der eben genannten Partner und aufbauend auf bereits definierten Handlungsansätzen wie des Sozialberichts, der Kommunalen Bildungsplanung oder des lokalen Integrationsplans.
"Wir setzen mit dem "Hannoverschen Weg" ausdrücklich nicht bei Null an", betont Jugenddezernent Walter. "Wir führen das, was es in Hannover gibt, zusammen und erwarten von der Bündelung und Strukturierung eine größere Transparenz und Effizienz."
"Mit der Konzentration des in Hannover bereits vorhandenen breit gefächerten Angebotes auf das eindeutige Ziel "Perspektiven von Kindern in Armut" setzen wir Maßstäbe", weiß Walter aus zahlreichen Kontakten mit anderen Kommunen. Er verweist dabei auf die wissenschaftliche Grundlage, mit deren Hilfe die Zielgruppen des "Hannoverschen Weges" innerhalb der Gesamtgruppe der Kinder und Jugendlichen, die in Armut leben, definiert wurden: "Unsere Koordinationsstelle Sozialplanung hat eine Analyse von Transferleistungsdaten durchgeführt. Dafür wurden die verfügbaren Daten für Hannover umfassend und kleinräumig ausgewertet – nachzulesen in der Drucksache "Kinderarmut in Zahlen".
"Am Anfang stand eine Reihe von Fragen wie: Was tut Hannover für Kinder und ihre Familien in Armut? Welche Ziele sind leistbar, welche nicht? Erreichen wir die Zielgruppen zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Maßnahmen? Wir haben also eine kritische Bestandsaufnahme gemacht, um herauszufinden, wo Hannover bei der Bekämpfung von Kinderarmut steht, wo es zentrale, wesentliche – also "Schlüssel" – Maßnahmen, Institutionen oder Personen gibt", beschreibt Walter die Erarbeitung des "Hannoverschen Weges" und erläutert den Kernbegriff des Konzeptes: "Dabei verstehen wir "Schlüssel" auch ganz wörtlich als das, was Kindern und Jugendlichen Türen aufschließt, Wände und Barrieren der Armut durchgängig macht, Perspektiven eröffnet."
Der "Hannoversche Weg" umfasst elf zentrale Handlungsfelder, die aus ExpertInnensicht für Kinder und ihre Familien in Armut von großer Bedeutung sind:
Familien ein Erwerbseinkommen ermöglichen, Grundbedürfnisse sichern, Gesundheit fördern, Eltern erreichen, Kinder früh fördern, Kindertagesstätten und Schulen stärken, Schlüsselkompetenzen entwickeln, Kinder und Jugendliche stärken, Jugendliche auf dem Weg ins Erwerbsleben begleiten, Krisen bewältigen, Schlüsselräume priorisieren.
Bei jedem wurde ermittelt, welche "Schlüsselmaßnahmen", "-räume", "-institutionen" und "-personen" vorhanden oder notwendig sind, um die Zielgruppen zu erreichen, entweder
- alle gleichermaßen und ohne Zugangsbarrieren (Betreuung in Kitas, Grundschulen, flächendeckende Sprachförderung) oder
- zielgenau für eine Gruppe (durch Schlüsselinstitutionen in -räumen, das heißt Stadtteilen, in denen besonders viele Kinder leben, wie 19 Familienzentren, 82 Erschwerniskindertagesstätten und 13 "Schulen im Stadtteil" oder die Schlüsselmaßnahme Hannover-Aktiv-Pass, der sich an "Familien mit wenig Geld" richtet.) oder
- frühzeitig über die Eltern (zum Beispiel über Familienhebammen, BildungslotsInnen oder die zurzeit erprobten Begrüßungspakete und -besuche über Familienbildungsstätten).
Bei all dem kommt "Schlüsselpersonen" eine wesentliche Rolle zu: Sie sind "nah dran" am Leben, vor Ort präsent, gut vernetzt, sie kommunizieren direkt und persönlich und helfen auf kurzem Weg, wie ElternbegleiterInnen, KinderärztInnen, Lehrkräfte, ErzieherInnen, Hebammen, BildungslotsInnen und andere.
Der vom Jugend- und Sozialdezernat initiierte "Hannoversche Weg" ist nicht am "grünen Tisch" entstanden, sondern basiert auf dem Wissen und den Erfahrungen vieler: von ErzieherInnen in Erschwerniskitas und Familienzentren, Spielparks, pädagogischen Mittagstischen, vom Kommunalen Sozialdienst, der Jugendhilfeplanung, der Fachplanung für kulturelle Bildung, der Jugend- und Familienberatung, der Kinder- und Jugendarbeit, der Gemeinwesenarbeit sowie der Jugendberufshilfe und der Beschäftigungsförderung. Ferner wurden ExpertInnen außerhalb der Stadtverwaltung einbezogen. MitarbeiterInnen des JobCenters, VertreterInnen der freien Wohlfahrtspflege, der Kirchen und des Gesundheitswesens, der Verband allein erziehender Väter und Mütter sowie die Grund- und Hauptschulen Hannovers wurden jeweils befragt: "Wie erreichen wir die Zielgruppe? Und erreichen wir die Richtigen?".
Das Thema Kinderarmut hat in Hannover nicht nur in diesem Jahr – dem europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung – Priorität. Der "Hannoversche Weg" zeigt die bereits in Hannover zurück gelegte Wegstrecke auf – und er ist als Appell zu verstehen, wie Jugenddezernent Walter deutlich macht: "Wir wollen alle einladen, unseren Weg kennen zu lernen und ihn mit uns weiter zugehen."
Der "Hannoversche Weg für Perspektiven von Kindern in Armut" kann ebenso wie "Kinderarmut in Zahlen" im Internet unter www.kinderarmut-in-hannover.de herunter geladen werden.
Fragen zum Inhalt der beiden Informationsdrucksachen beantwortet die Koordinationsstelle Sozialplanung: Elke Sauermann Telefon 168-46459 und Dr. Silke Mardorf, Telefon 168-46966,
E-Mail: kinderarmut@hannover.de.