Befragungsergebnisse: „Vitale Innenstädte 2024“

Dr. Markus Preißner vom Institut für Handelsforschung in Köln sowie Oberbürgermeister Belit Onay bei der Präsentation der Ergebnisse im Rathaus
Hannovers Innenstadt bekommt von Besucher*innen die durchschnittliche Schulnote 2,8. Das ist ein Ergebnis der Befragung „Vitale Innenstädte 2024“. Hannover liegt damit knapp unter dem Durchschnitt (Note 2,5) der anderen befragten Städte mit mehr als 500.000 Einwohner*innen. Anzumerken ist, dass die Gesamtnote zwischen den Befragungstagen schwankt. Während die Gesamtnote am Donnerstag bei 2,9 liegt, ist sie am Sonnabend um 0,2 Prozentpunkte besser und liegt bei 2,7.
Besonders punktet Hannover im Vergleich mit anderen Städten dieser Größenklasse mit dem Gastronomieangebot, hier kommt sie auf die Note 1,7. Freizeit und Kultur sowie Dienstleistungen bekommen jeweils eine Note zwischen 1,9 und 2,1. Zu kämpfen hat die hannoversche City, wie andere Städte auch, mit dem weiter fortschreitenden Trend zum Onlinehandel.
Dies sind einige von zahlreichen Erkenntnissen einer Befragung „Vitale Innenstädte“, die das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen IFH Köln im Herbst 2024 in 107 deutschen Innenstädten durchgeführt hat. Zum fünften Mal wurde die im zweijährlichen Rhythmus erfolgende Attraktivitätsanalyse auch in der Landeshauptstadt Hannover durchgeführt. Gefragt wurde unter anderem: Wer besucht die Innenstadt und warum? Hat sich das Einkaufsverhalten durch Onlineshopping verändert? Welche Schulnote bekommt die City hinsichtlich ihre Attraktivität? Bundesweit wurden knapp 69.000 Interviews mit Innenstadtbesucher*innen geführt. In Hannover wurden rund 2.000 Personen befragt.
In der Größenklasse „über 500.000 Einwohner*innen“ waren 12 Städte beteiligt, unter anderen Köln, Düsseldorf, Leipzig und Frankfurt.
Die Befragung umfasst mehrere Themenbereiche wie zum Beispiel die Analyse der Besucher*innenstruktur, das Einkaufsverhalten und die Erreichbarkeit des Standortes. Abgefragt wurden Anforderungen und Wünsche der Besucher*innen sowie die Bewertung der innerstädtischen Angebote.
Daraus lassen sich Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung ableiten, aber auch ungenutzte Potenziale aufdecken, die für die weiteren Planungen unter anderen der Mobilität und Entwicklung der Innenstadt wegweisend sein können. In Hannover insbesondere auch, um die konzeptionellen Ansätze des Innenstadtkonzeptes niedrigschwellig überprüfen zu lassen.
Wer besucht die Innenstadt?
Im Jahr 2024 ist der Anteil der Besucher*innen aus dem Umland konstant geblieben (31% in 2022 zu 31,2% in 2024). Damit liegt Hannover leicht unter dem Ortsgrößenschnitt mit 38,5%. Anzumerken ist hier, dass sich in Hannover im Gegensatz zu der Ortsgrößenklasse der Trend zeigt, dass Besucher*innen aus dem Umland Hannover häufiger wochentags (35,4% am Donnerstag) als am Wochenende (27% am Sonnabend) besuchen.
Ebenfalls im Trend der Ortsgrößenklasse liegt die Verteilung der Besucher*innen nach Geschlecht. 54,3% der Befragten im Ortsgrößendurchschnitt sind weiblich, in Hannover sind es 53,4%. Allerdings zeigt sich im Vergleich zum Jahr 2022 eine leichte Annäherung der Besucher*innengruppen beider Geschlechter: während 2022 noch 42,9% der Besucher*innen männlich waren, sind es 2024 46,6%.
Das Durchschnittsalter der Befragten liegt mit 43,5 Jahren knapp 1,5 Jahre jünger als bei der Befragung im Jahr 2022 und damit marginal über dem Ortsgrößenschnitt mit 42,4 Jahren.
Besuchsanlass
Wie schon in den vorherigen Jahren ist weiterhin das Einkaufen mit rund 63,4% der Hauptgrund der Befragten, die Innenstadt zu besuchen. Dieser Trend zieht sich durch alle Altersgruppen.
Punkten kann Hannover nach wie vor beim Anlass Gastronomie. Dies ist für 52,8% der Befragten Anlass des Besuches (in 2022 51,3% und in 2020 noch 39,5%). Damit liegt Hannover deutlich über dem Durchschnitt, was wiederum ein Beleg für das gute Angebot in der Innenstadt ist.
Freizeit und Kultur fällt deutlich als Anlass zurück: rund 11,8% gaben dies als Besuchsgrund an. Damit liegt der Wert auf dem Niveau aus 2022. Paradoxerweise ist die Bewertung des Angebotes mit einer 1,9 (2022: 2) sehr gut. Hier scheint es ein Missverhältnis zwischen dem tatsächlichen Angebot und dem individuellen Besuch zu geben. Anzumerken ist noch, dass weit mehr Besucher*innen Hannover aus den Anlässen Dienstleistungsangebot und Behördengang/ Ärzt*inbesuch als im Ortsgrößendurchschnitt aufsuchen. Die Anlässe Verweilen/ Sightseeing sowie Wohnen werden im Vergleich zum Ortsgrößendurchschnitt nur selten genannt. Verweilen/ Sightseeing ist dabei mit 13,8% im Vergleich zu 2022 mit knapp 18% rückläufig.
Wahl des Verkehrsmittels
Mit 57,5% bleibt die Nutzung des ÖPNV durch die Befragten nahezu konstant (in 2022 58,5%). Damit liegt Hannover auch über dem Schnitt der anderen befragten Großstädte (53,3%). Dies ist ein Beleg für das gute ÖPNV-System in Hannover.. Beim motorisierten Individualverkehr ist ein leichter Rückgang zu sehen, den 24,7% (in 2022 26,3%) der Befragten nutzten. Insgesamt nimmt die Nutzung des MIV damit konstant ab (2018: 27,7%). Das kleine Hoch 2020 kann eine Auswirkung der Covid-19-Pandemie sein. Gewonnen haben aber auch der Radverkehr (10,2% auf 12,4%) sowie der Fußverkehr (5% auf 5,3%). Es zeigt sich, dass anscheinend insbesondere bei Strecken, bei denen das Fahrrad einen adäquaten Ersatz darstellt, eine Verschiebung stattgefunden hat. Auch im Ortsgrößendurchschnitt zeigt sich Hannover fahrradfreundlich (12,4% zu 8,8%).
Die Befragten bewerteten das Parkraumangebot mit einer 3,3. Damit liegt Hannover weiterhin auf dem Niveau von 2020 und 2022 mit leichten Veränderungen. Die Parkmöglichkeiten werden von allen Befragten (Alter, Geschlecht, Wohnort) fast identisch bewertet. Die größte Abweichung ergibt sich bei der Bewertung der Fußgänger*innen mit der Note von 2,9 zu den Nutzer*innen des ÖPNV mit einer Note von 3,4.
Sowohl die Fußgänger*innenfreundlichkeit als auch die Fahrradfreundlichkeit erhalten mit insgesamt 2,2 und 2,6 gute Noten und bleiben auf dem Niveau des Vorjahres. Die Autofreundlichkeit wird insgesamt mit einer 2,9 bewertet, was besser ist als im Vorjahr und auch besser als im Ortsgrößendurchschnitt. Die Erreichbarkeit mit Bus & Bahn nimmt im Vergleich zu 2022 (1,8) zu und erhält die Note 1,6.
Besuchshäufigkeit
Im Vergleich zu 2022 lässt sich feststellen, dass die Befragten die Innenstadt seltener täglich, wöchentlich und monatlich besuchen. Häufiger kommen sie quartalsweise oder noch seltener. Das entspricht im Wesentlichen auch dem Ortsgrößendurchschnitt. Auffällig ist aber, dass 2022 die Befragten noch angaben, dass sie zu 38,5% wöchentlich (2024: 31,1%) und 38,8% monatlich (2024: 29,8%) die Innenstadt besuchen.
Onlineverhalten
Besonders interessant ist sowohl die Entwicklung des Onlineverhaltens der in Hannover Befragten als auch der Vergleich mit dem Ortsgrößendurchschnitt. In 2020 gaben 27,2% der Befragten an, verstärkt online einzukaufen und die Innenstadt weniger zu besuchen, in 2022 waren es bereits 44,9% – in 2024 sank dieser Wert jedoch wieder auf 42%. Dies ist eine erfreuliche Nachricht für die Innenstadt. Im Ortsgrößendurchschnitt, der 30,8% beträgt, schneidet Hannover jedoch schlechter ab als andere Innenstädte.
Der Teil derer, die angaben, nicht Online einzukaufen erhöht sich von 16,6% in 2022 auf 19,7% in 2024. Im Vergleich zu den anderen Städten der Ortsgrößenklasse (17,1%) scheint die Gruppe derer Befragten in Hannover, die nicht online einkaufen gehen, größer zu werden.
Bewertung des Einzelhandelsangebots im Hinblick auf Branchen
Hier punktet Hannover insbesondere bei den Kategorien Bücher (2), Körperpflege/Kosmetik/Drogerie (1,8) und Lebensmittel (2,2). Auch als gut bewertet sind die Kategorien Bekleidung (2,4), Schuhe/Lederwaren (2,3), Uhren/Schmuck (2,3) und Unterhaltungselektronik (2,3). Damit liegt Hannover auf gleichbleibenden Niveau zum Vorjahr und über dem Ortsgrößendurchschnitt. Etwas schlechter, aber dennoch im guten Bereich, fallen die Bewertungen bei den Kategorien Sport/Spiel/Hobby/Basteln und Büro/Schreibwaren mit jeweils 2,7 sowie Wohnen/Einrichten/Dekorieren mit 2,9 aus. Gerade die Bewertung der letzten Kategorie verwundert, da doch einige Läden mit diesem Angebot in Hannovers Innenstadt vertreten sind. Hannover bewegt sich damit aber im Ortsgrößendurchschnitt.
Aufenthaltsqualität, Ambiente, Flair und Erlebnis:
Insgesamt bewegt sich Hannover bei der Bewertung von unter anderen Gebäuden, Flair, Wegen, Plätzen, Familienfreundlichkeit oder Sehenswürdigkeiten im Rahmen der Bewertung in den Vergleichsstädten. Grünflächen werden etwas besser als im Schnitt der anderen Großstädte bewertet. Benotet werden alle Kriterien mit einer Note um 3.
Individuelle „Hannover-Fragen“
Bei der Befragung wurden noch zwei individuelle Fragen gestellt, die in dieser Form nur in Hannover gestellt wurden und wo ein Ortsgrößenvergleich sowie ein Vergleich zu Vorjahren nicht möglich ist.
Gefragt wurde: „Haben Sie den sogenannten „Aufhof“ (Zwischennutzung des „Kaufhof“ an der Marktkirche von Juni ´23 bis Juli ´24) besucht?“. Darauf antworteten 46,5% der Befragten, dass sie den Aufhof (wenn auch nur zur Banksy-Ausstellung) besucht haben. 36,9% haben den Aufhof nicht besucht, kannten ihn aber und nur 16,7% kannten den Aufhof nicht. Wobei sich bei der Frage nach dem Besuch und auch der Bekanntheit starke Unterschiede nach dem Wohnort zeigen. Die Befragten, die in der Stadt wohnen, besuchten den Aufhof und kannten ihn auch eher als die Befragten, die außerhalb der Stadt wohnen. Bei der Altersstruktur der Befragten zeigt sich, dass sich die generellen Besuchszahlen ähneln. Jedoch die Befragten ab 26 Jahren eher die Banksy-Ausstellung besucht haben als die Befragten bis 25 Jahre. Außerdem ist die Gruppe der Befragten bis 25 Jahre, die den Aufhof nicht kannten mit 27,1% deutlich höher als die Gruppe der 26 bis 50-Jährigen (16,2%) und die der über 50-Jährigen (12,1%).
Die zweite Frage lautete: „Welche Funktion wünschen Sie sich für die Innenstadt der Zukunft?“. Als Beantwortung waren zwei Nennungen aus den folgenden Vorschlägen möglich: Handel, Gastronomie, Kultur, Wohnen, Gemeinwohl und Sport.
Mit 45,6% wünschen sich die meisten Befragten mehr Handel in der Stadt, gefolgt von Kultur mit 37,6% und Gemeinwohl mit 31,4%. Die Ergebnisse der Funktionen Handel und Gemeinwohl spiegeln die anderen Ergebnisse der Befragung wider, wohingegen der Wunsch nach mehr Kultur sich nicht deckt mit der sehr positiven Bewertung des bestehenden Angebotes. Wobei es auch so interpretiert werden kann, dass die Innenstadt von Hannover diese Funktion schon gut erfüllt, sich die Befragten aber einen noch stärkeren Fokus auf das Thema Kultur wünschen.
Große Unterschiede zeigen sich teilweise bei den Wünschen ausgewertet nach dem Verkehrsmittel, mit dem Hannover besucht wurde. Beispielsweise gaben nur 28,1% der Befragten, die zu Fuß unterwegs waren, an, dass sie sich mehr Handel wünschen. Bei den Radfahrenden sind es 33,9%. Dies unterschiedet sich deutlich von den Befragten, die mit dem ÖPNV (49,6%) oder dem motorisierten Individualverkehr (46,2%) in die Stadt kamen. Es zeigt sich der Trend, dass, abgeleitet vom Verkehrsmittel der Befragten, je näher die Menschen an der Innenstadt wohnen, desto mehr Aufenthaltsqualität wünschen sie sich. Wohingegen die Menschen, die weiter weg wohnen, mehr den „Event“-Charakter der Innenstadt schätzen bzw. sich wünschen.
OB Onay: Innenstadt kann bestehen
Oberbürgermeister Belit Onay zeigte sich erfreut, aber auch selbstkritisch: „Auch wenn es hinsichtlich der Zufriedenheit der City eine leichte Verschlechterung gab, gibt es auch viel Licht. Etwa mit Blick auf das tolle gastronomische Angebot, die Erreichbarkeit, den Zuwachs beim Fahrradverkehr, der Nutzung des ÖPNV oder auch die Einkaufsmöglichkeiten. Klar ist, dass es insbesondere im nichtkommerziellen Bereich Verbesserungen geben muss, etwa bei der Aufenthaltsqualität. Die Innenstadt kann aber trotz Online-Konkurrenz bestehen und hat eine Zukunft.“
Wirtschafts-und Umweltdezernentin Anja Ritschel ergänzt: „Die Ergebnisse bestätigen die Resilienz der Innenstadt, zeigen aber auch die Potentiale auf. Die Stadtverwaltung hat sich bereits auf den Weg gemacht, die Innenstadt zu stärken. Beispielsweise wird das neue Innenstadtmanagement, welches sich gerade im Aufbau befindet, neue Impulse für die City entwickeln und alle Akteur*innen der City unterstützen. Und durch Maßnahmen wie den Umbau der Prinzenstraße wird die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt kontinuierlich verbessert. Hier werden wir weiter ansetzen.“