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Westschnellweg: Bürgerrat gibt deutliche Empfehlungen

Westschnellweg

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Ein Bürgerrat zusammengesetzt aus 35 zufällig ausgewählten Menschen aus der Region Hannover hat am 8. Juli 2025 seine Empfehlungen zur Sanierung des Westschnellweges in Hannover an die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) sowie an das Niedersächsische Verkehrsministerium übergeben.

Die Ergebnisse umfassen sieben übergeordnete Grundsätze und 31 Empfehlungen. Im Mittelpunkt stehen Vorschläge zur Stärkung nachhaltiger Mobilität, zum Schutz und zur Entwicklung von Klima, Umwelt und Stadtquartieren sowie zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Infrastruktur.

Durch diesen Bürgerrat soll ein Streit wie beim Ausbau des Südschnellwegs vermieden werden. Beim Modernisierungsprozess müssen Planer Klimaschutz, Verkehrswende und Sicherheit miteinander vereinbaren. Es ist noch unklar, wie die Auf- und Abfahrten umgestaltet werden und ob ein Tunnel Brücken und einen Teil der Straße ersetzen könnte. Um die Sicherheit zu erhöhen, wird auch erwogen, die Straße zu verbreitern und einen zusätzlichen Seitenstreifen anzulegen. Gegen die Erweiterung des Südschnellwegs gab es heftige Proteste, trotz eines damals stattfindenden Bürgerdialogs. Dadurch habe man Erkenntnisse gewonnen, sagt Christian Budde, Sprecher des Landesverkehrsministeriums. Das Ministerium plant, den Prozess diesmal noch transparenter zu gestalten, die Bürgerinnen und Bürger besser zu informieren und einzubinden. Ein Teil davon ist der Bürgerrat.

Der Ergebnisbericht des Bürgerrats

In seinem Ergebnisbericht macht der Bürgerrat deutlich, dass er die zentrale Rolle der Verkehrsachse im Westen Hannovers anerkenne. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wünschen sich einen Westschnellweg, der „eine Bündelungsfunktion für Durchgangs- und Lieferverkehr hat und anpassungsfähig an zukünftige gesellschaftliche Anforderungen ist“. Für den Umbau haben sie sieben zentrale Grundsätze erarbeitet, die bei den Planungen beachtet werden sollen.

  • Durch die Westschnellweg-Modernisierung sollen „die Klimaziele, die Anpassung an den Klimawandel sowie der Umwelt- und Naturschutz nicht beeinträchtigt werden“.
  • Für den motorisierten Verkehr sollen keine zusätzlichen Flächen verbraucht werden. Wenn möglich, soll die Versiegelung sogar verringert werden.
  • Der Autoverkehr soll reduziert, das Netz des öffentlichen Nah-, Rad- und Fußverkehrs ausgebaut werden.
  • Verkehrsfluss und Verkehrssicherheit sollen sich für alle Verkehrsteilnehmer verbessern, unter anderem durch eine intelligente Steuerung der Geschwindigkeit.
  • Gemeinsam sollen Bund, Land, Region und Stadt Hannover eine übergeordnete Verkehrsstrategie entwickeln.
  • Planung und Umsetzung der Baumaßnahme sollen auf eine möglichst geringe Belastung der angrenzenden Stadtquartiere abzielen.
  • Die durch den Umbau und Verkehr entstehenden CO2-Emissionen sollen möglichst in der Nähe kompensiert werden. Lärm- und Schadstoffimmissionen sollen reduziert werden.

Verzicht auf Standstreifen empfohlen

Unter anderem empfiehlt der Bürgerrat einen Verzicht auf Standstreifen beim Westschnellweg. „Die jetzt genutzte Fläche darf nicht vergrößert werden, die Fahrstreifen dürfen nicht verbreitert werden“, gibt das Gremium den Planern mit auf den Weg.

Auf- und Abfahrten sollen sicher, aber zugleich platzsparend gebaut werden, um die Vegetation zu schonen. Der Bürgerrat empfiehlt sogar, den Rückbau der besonders ausladenden Auffahrt Herrenhausen zu prüfen, um Flächen entsiegeln zu können.

Die Unfallschwerpunkte Bremer Damm und Deisterkreisel sollen die Planer hinterfragen. Für den Abzweig auf den Bremer Damm etwa schlägt der Bürgerrat vor, die Ampelkreuzung durch ein brückenartiges Bauwerk zu ersetzen, das über den Westschnellweg hinweg führt.

Tunnelbau soll geprüft werden

Der Bau eines Westschnellweg-Tunnels soll abschnittsweise geprüft werden. Einen Vorteil sieht der Bürgerrat darin, dass durch einen vergrößerten und begrünten Deckel am Lindener Berg die Wirkung als Kaltluftschneise und die Naherholungsfunktion verbessert würden.

Die Übergabe der Arbeitsergebnisse fand in Anwesenheit von Verkehrsminister Grant Hendrik Tonne, Regionspräsident Steffen Krach, Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay und NLStBV-Präsident Timo Quander im Verkehrsministerium in Hannover statt.

„Offener Prozess ist wertvoll“

„Die Mitglieder des Bürgerrates haben ihre Lebensrealität, ihr Wissen und ihre Belange direkt und engagiert in das Vorhaben eingebracht. Das wird die Planung und das gesamte Projekt verbessern. Dafür möchte ich den Mitgliedern danken. Denn damit zeigen sie auch, wie wertvoll ein transparenter, offener Prozess ist – gerade bei großen Infrastrukturprojekten“, sagte Niedersachsens Verkehrsminister Grant Hendrik Tonne.

Mit der Übergabe der Empfehlungen sei die Arbeit des Bürgerrates zudem nicht beendet. Er werde das Projekt weiterhin anlassbezogen begleiten und dem Dialogforum mit seiner Expertise zur Seite stehen. „So stellen wir sicher, dass der Dialog nicht abreißt – und der Beteiligungsprozess ein kontinuierlicher bleibt“, so Tonne.

„Empfehlungen berücksichtigen, wo möglich“

„Die Ergebnisse der Bürgerrat-Arbeit haben den Stellenwert übergeordneter Empfehlungen. Sie bilden den Rahmen für die weitere Planung“, erklärte Andreas Moseke, Sprecher der Landesstraßenbaubehörde. Diese werde die Empfehlungen „sorgfältig prüfen und überall dort berücksichtigen, wo es nur irgend möglich ist“. Zur Umsetzbarkeit der Forderungen und Vorschläge will die Behörde jeweils begründete Stellungnahmen abgeben.

Der Bürgerrat hatte von Januar bis März 2025 über die Modernisierung des Westschnellwegs beraten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich mit den Themenfeldern Klimaschutz und Klimawandel, Verkehr und Mobilität, Stadtleben und Grünflächen sowie Natur und Umwelt beschäftigt. Den Mitgliedern standen für die ergebnisoffene Diskussion mehrere unabhängige Expertinnen und Experten mit Informationen und bei Fragen zur Seite.

2.000 Menschen ausgelost

Die Niedersächsische Lan­des­be­hörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) hatte im November 2024 Menschen in und um Hannover eingeladen, am Bürgerrat zur Modernisierung des Westschnellwegs teilzunehmen. 2.000 zufällig gezogene Personen aus den Stadtteilen in Linden, Limmer oder Herrenhausen, dem weiteren Stadtgebiet sowie auch der Region Hannover hatten eine Einladung in ihren Briefkasten. 95 Eingeladene hatten Interesse an einer Teilnahme an der Losversammlung bekundet.

Der Bürgerrat bestand aus 35 zufällig ausgelosten Einwohnerinnen und Einwohner der Region Hannover. Die Aufgabe der Losversammlung war es, Rahmenbedingungen für die Westschnellwegplanung zu diskutieren und zu formulieren – basierend auf der Lebenserfahrung und Expertise seiner Mitglieder. Das Gremium war dementsprechend zusammengesetzt. Der Bürgerrat sollte die Gesellschaft in Hannover widerspiegeln. Daher waren dort Menschen nach den Kriterien Alter, Geschlecht, Bildung, Wohnort und Migrationshintergrund ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend vertreten.

Bürgerrat Teil der Öffentlichkeitsbeteiligung

Der Bürgerrat ist Teil der Öffentlichkeitsbeteiligung, die die Landesbehörde zur Westschnellwegplanung durchführt. Die Beteiligung hatte mit einer Auftaktveranstaltung im Oktober 2023 und einer anschließenden Online-Befragung begonnen. Daraus war ein Dialogkonzept entstanden, das im Mai 2024 vorgestellt wurde.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Beteiligung ist ein so genanntes Dialogforum. Es bindet Anwohnerinnen und Anwohner sowie verschiedenste Interessensgruppen über mehrere Jahre hinweg in die Planung ein. Start des Dialogforums war im Februar 2025.

Bündnis kritisiert „Alibi-Veranstaltung“

Das Bündnis „WESTprotest“ hatte den Bürgerrat zum Westschnellweg als „Alibi-Veranstaltung“ kritisiert. Der Auftrag dieses Bürgerrates sei nicht wirklich ergebnisoffen, erklärt WESTprotest. Es gehe in der Fragestellung, die dem Bürgerrat von der Landesbehörde vorgegeben ist, nicht mehr darum, ob der Westschnellweg „modernisiert“, also ausgebaut, werden soll, sondern nur noch darum „Rahmenbedingungen für die Modernisierung zu diskutieren“.

Weiter kritisierte das Bündnis, die Moderation des Bürgerrates sei nicht neutral und unabhängig, sondern das mit der Moderation beauftragte Institut „ifok“ arbeite offenkundig eng mit der NLStBV zusammen. Auch sei nicht sicher gestellt worden, dass der Bürgerrat durch unabhängige Expertinnen und Experten beraten wurde.

Für Klimagerechtigkeit und Lebensqualität

Sinnvoll sei ein Bürgerrat nur, wenn er darüber beraten könnte, wie die Mobilitätsbedürfnisse in der Region Hannover klimagerecht befriedigt werden können. Und dafür brauche der Bürgerrat auch mehr Zeit als drei Sitzungen. Oberste Leitziele müssen Klimagerechtigkeit in der Verkehrsplanung und die Lebensqualität der Menschen in Linden, Limmer und Herrenhausen sein und nicht breitere Straßen für schnelleren und zunehmenden Autoverkehr.

Auch die Grünen hatten das Vorhaben kritisiert: Bürgerräte einzubinden mache nur Sinn, wenn auch die Planung offen sei. Die Grundlagen für den Ausbau stünden aber bereits fest. Sie fordern eine Sanierung der Autobahn und keinen Ausbau.

ifok widerspricht Kritik

Der Beteiligungsdienstleister ifok hatte die geäußerte Kritik zurückgewiesen. Die Offenheit des Ergebnisses sei gewährleistet. Der Bürgerrat sei Teil eines größeren Beteiligungsprozesses, der unter anderem auf einer Dialogveranstaltung sowie einer öffentlichen Online-Umfrage aufbaue.

Da der Bürgerrat früh in der Planung stattgefunden habe, gebe es seitens der NLStBV viel Spielraum für die Gestaltung der Rahmenbedingungen. Daher beinhalte der Begriff „Modernisierung“ nicht automatisch einen „Ausbau“. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hätten auch die Frage diskutiert, ob der Westschnellweg überhaupt ausgebaut werden soll. Eine Modernisierung von Straßen und Brücken in schlechtem Zustand sei jedoch notwendig.

Die Behauptung einer mangelnden Unabhängigkeit von ifok sei unbegründet. Es sei üblich, dass das durchführende Unternehmen in engem Austausch mit dem Auftraggeber stehe, um den Informationsaustausch und die Umsetzung der Empfehlungen des Bürgerrates zu fördern. Dies sei besonders relevant, da der Auftraggeber zugleich die durchführende Behörde der Arbeiten am Westschnellweg sei. Insgesamt hätten zudem sechs unabhängige Expertinnen und Experten den Bürgerinnen und Bürgern während des gesamten Prozesses zur Verfügung gestanden.

Geforderte Themen Teil der Diskussion

Grundsätzliche Mobilitätsbedürfnisse der Zukunft in und um Hannover seien ebenso wie Klimagerechtigkeit und Lebensqualität der Anwohnerinnen und Anwohner Teil der Diskussionen und selbstverständlich wichtige Grundlage für die Erarbeitung der Ergebnisse durch die Bürgerrat-Mitglieder gewesen.

Ein Beteiligungsprozess könne auch über einen längeren Zeitraum laufen. Allerdings gelte es, eine Lösung zu finden, die auch die zeitlichen Kapazitäten der Bürgerinnen und Bürger und den sparsamen und umsichtigen Umgang mit Steuergeldern berücksichtigt. Um eine langfristige Begleitung zu gewährleisten, finde ein Dialogforum statt, das Anwohnerinnen und Anwohner sowie verschiedene Interessengruppen über mehrere Jahre hinweg in die Planung einbezieht. Bei Bedarf könne das Dialogforum Bürgerrat-Mitglieder auch nach dem Ende des Bürgerrates zur Beratung einberufen.

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