Ein Jubiläum steht ins Haus, denn im November 1974 wurde das Ihme-Zentrum Hannover eröffnet und die ganze Stadt war gefühlt dabei. 50 Jahre später ist die Zukunft eher düster.
Das Ihme-Zentrum sollte eines von mehreren Wohn-, Arbeits- und Einkaufszentren für das innere Stadtgebiet von Hannover sein. Mit diesen bereits ab den 60er-Jahren geplanten Zentren sollte die Innenstadt entlastet und zentraler Wohnraum geschaffen werden. Das Ihme-Zentrum ist zum Glück das einzige dieser Zentren, das tatsächlich gebaut wurde.
Noch bei der Grundsteinlegung am 11. November 1971 sprach Oberstadtdirektor Martin Neuffer hoffnungsvoll vom Beginn eines „Jahrzehnts der großen Umbauten“. Große Bauprojekte am Kröpcke und Raschplatz und eben auch das Ihmezentrum waren geplant. Die Konzepte verloren ihren Reiz jedoch sehr schnell, Sichtbeton war schon nach kürzester Zeit nicht mehr gefragt.
Auf dem Baugrundstück des Ihmezentrums befanden sich die 1837 gegründete Mechanische Weberei, die bereits 1961 ihren Betrieb eingestellt hatte, und die Lindener Backpulver- und Brotfabrik. Das gesamte Zentrum wurde in einem Stück gebaut. Zu seiner Zeit war es eine der größten Baustellen und hatte mit dem größten gegossenen Betonfundament Europas auch ein Superlativ zu bieten. Es entstanden 60.000 m² Verkaufsfläche sowie 58.300 m² Wohnflächen mit etwa 860 Wohnungen. Die Anordnung der Fundamente für die Hochhaustürme im Bereich Ihmeplatz wurden so gestaltet, dass dort ein U-Bahn-Tunnel für die geplante D-Strecke der Stadtbahn Hannover unter dem Bauwerk werden könnte.
Der Niedergang des Ihme-Zentrum erfolgte schleichend. Zur Eröffnung war dort die Crème de la Crème des Handels von Hannover versammelt. Nach und nach gaben die Händler zwischen Kaufhof im Norden und dem bei Hannoveranern inzwischen legendären Lebensmittelhändler HUMA im Süden auf. Die Fläche von Kaufhof übernahm der Technikmarkt Saturn-Hansa, aber für die Fläche von HUMA, die zwischenzeitlich von Allkauf übernommen wurde, fand sich ab Mitte der 90er-Jahre kein Nachfolger mehr.
Ihme-Zentrum Hannover – Mythen und Legenden in Beton
In diesem Bereich hat das Ihmezentrum einige Geschichten zu bieten. Von der angeblichen U-Bahn Station über ein Schwimmbad bis hin zur RAF.
Im Januar 1978 entdeckte die Polizei im Ihme-Zentrum nach dem Hinweis eines Wohnungsnachbarn eine konspirative Wohnung der linksterroristischen Vereinigung RAF. Die Polizei stellte allerdings fest, dass die Wohnung bereits längere Zeit verlassen war. Neben handschriftlichen Notizen zum Bau einer Stalinorgel wurde auch entsprechendes Material für terroristische Zwecke gefunden. Fingerabdrücke deuteten nach BKA Angaben darauf hi, dass die Wohnung von den RAF-Terroristen Knut Folkerts, Silke Maier-Witt, Ingrid Siepmann und Monika Helbing bis September 1977 als Rückzugsort gedient hatte. RAF-intern wurde das Ihme-Zentrum passenderweise Klotz genannt.
Der angeblich im Ihmezentrum lebende Sprayer Moses hat in einem Video mit gesagt, er wolle das Ihmezentrum ersteigern und dort einen eigenen Staat (Overground) gründen. Für das seinerzeit geforderte Mindestgebot von knapp 25 Mio. Euro fehlten aber wohl die Mittel.
Es gibt Filme über das Ihme-Zentrum und sogar Theaterstücke.
Film: Traum Ruine Zukunft
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Theater: Betonklotz 2000
Wie fühlt es sich an, in einem der größten zusammenhängenden Betonfundamente Europas, dem Hannoveraner Ihme-Zentrum, aufzuwachsen? „Eine Stadt in einer Stadt, so die Idee, viele Geschichten übereinandergestapelt.“ Das Theaterstück Betonklotz 2000, das am 20.09.2024 Premiere hatte, erzählt die Geschichten junger Menschen, für die dieses einst als utopisches Stadtprojekt geplante Bauwerk soziale Ungerechtigkeit und Realität bedeutet. Zwischen Armut und Gentrifizierung, der Suche nach Perspektiven und der Flucht nach vorne (wo auch immer das sein mag) betrachten die Jugendlichen den Klotz und sehen: Freundschaften, Eltern, die sich bemühen, vor allem aber ein Zuhause. Die Autorin Jona Rausch widmet sich in ihrem ersten Text für die Bühne einem Gebäude, das mehr ist als ein kultiges, mittlerweile in die Jahre gekommenes Vorzeige-Bauwerk Hannovers, und lässt es lebendig werden.
Die Investoren ohne Investitionen
Anfang der 2000er-Jahre übernahm der Investor Frank Michael Engel einen Großteil der bereits leer stehenden Ladenflächen. Das Drama nahm seinen Lauf.
- Eigentümer Engel (2000–2006)
- Eigentümer Carlyle (2006–2009)
- Zwangsverwaltung (2009–2015)
- Eigentümer Intown (2015–2019)
- Eigentümer Civitas (seit 2019)
Im August 2023 hat die Hausverwaltung des Ihme-Zentrums einen Antrag auf Eröffnung des nächsten Insolvenzverfahrens gestellt. Seitdem wird das Ihmezentrum wieder zwangsverwaltet. Ende 2024 zum 50. Geburtstags des Betonmonsters ist die Zukunft weiter ungewiss.
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Wie lange sich diese unrühmliche Geschichte in Hannover bereits hinzieht, kann man sehr schön anhand von diesem Video sehen. Oberbürgermeister „Herbert Schmalstieg“ fängt symbolisch an, die ersten Abrissarbeiten auszuführen.
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Im Juli 2006 wurden die Anteile der Firmengruppe Engel von der amerikanischen Carlyle Group übernommen, die den Umbau noch weiterführte.
Das Ende der Träume – Insolvenz und Zwangsversteigerung
2013 endete mit der Insolvenz der Carlyle Tochterfirmen dieser Versuch einer Revitalisierung. Die Berliner Landesbank hat, nachdem sich kein neuer Investor fand, das Objekt zwangsversteigen lassen. Auch das klappte erst in der zweiten Runde ohne ein Mindestgebot.
Die Carlyle-Anteile wurden schließlich 2015 für 16,5 Millionen Euro an die Projekt Steglitzer Kreisel Berlin Grundstücks-GmbH verkauft. Die Tagespresse nannte diese als Tochter der Firma Intown, hinter der israelische Investoren stünden.
Die Projekt Steglitzer Kreisel Berlin Grundstücks-GmbH wurde mit Wirkung zum 28. Februar 2017 umbenannt in Projekt IZ Hannover GmbH.
Von 2018-2019 wurde der Verkauf der Intown-Anteile am Ihme-Zentrum an die Civitas Property Group S.A. durchgeführt. Das ist eine Tochter der Sapinda Gesellschaft des Finanzinvestors Lars Windhorst, bekannt auch als Finanzier von Hertha BSC Berlin.
In 2022 wechselte das Ihmezentrum wieder ein Mal den Besitzer. Die Projekt IZ Hannover GmbH (PIZ), zuständig für die Revitalisierung des Sockelgeschosses im Ihme-Zentrum im Auftrag des Investors Lars Windhorst, bot sogar monatliche öffentliche Führungen durch das Ihme-Zentrum an, um den angeblichen Baufortschritt zu zeigen.
Die Stadt hingegen zog Anfang 2023 die Notbremse und kündigte ihre Mietverträge. In 2023 verabschiedete sich auch noch enercity aus dem Hochhaus am Ihmeplatz. Damit steht auch die letzte große Bürofläche leer. Die Stadt Hannover bleibt neben den Wohnungseigentümern der einzige Aktivposten, der weiterhin in das Ihmezentrum investiert. Eine Durchwegung an der Ida-Arenhold-Brücke zur Blumenauer Straße soll jetzt doch noch gebaut werden.
Die weitere Zukunft bleibt ungewiss. Es ist aber sicher, niemand wird, wie von vielen Bürgern gefordert, das Ihmezentrum abreißen oder wegsprengen. Wirtschaftlich ist das absolut unmöglich, daher wird Hannover mit der Bausünde des Brutalismus der 70er-Jahre wohl oder übel auf lange Sicht weiterleben müssen. Ob das für die Wohnungseigentümer auf Dauer tragbar sein wird, ist ebenfalls unklar. Allein für 2024 summiert sich die Sonderzahlung durch den Ausfall des Gewerbeteils bei einer 100-Quadratmeter-Wohnung auf fast 4000 € die von den Wohnungsbesitzern zusätzlich aufgebracht werden müssen. Zumindest in kleinen Schritten könnte es Entlastung für die Wohnungsbesitzer geben. Der Insolvenzverwalter verhandelt weiterhin mit Gewerbemietern die trotz der desolaten Lage Interesse an verschiedenen Flächen zeigen. Wie es weiter geht, kann man auf der Webseite punkt-linden.de verfolgen, im letzten Interview zeigte sich der aktuelle Insolvenzverwalter optimistisch.
Stadtplan
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Mehr InformationenBildquellen:
- Ihmeufer bei Nacht: www.hannover-entdecken.de
- 2014-05-19_15-46_Schwarzer-Bär_1925: www.hannover-entdecken.de
- Gibt es eine Zukunft für das Ihmezentrum?: www.hannover-entdecken.de
- Ihmeplatz 1: www.hannover-entdecken.de
- Stadtwerke bzw enercity im Ihmezntrum: www.hannover-entdecken.de
- Grünste Stadt Niedersachsens: www.hannover-entdecken.de
- Ihmepassage: www.hannover-entdecken.de
- Schöne Ecken: www.hannover-entdecken.de
- Charme: www.hannover-entdecken.de
- Robuste Wirklichkeiten: www.hannover-entdecken.de
- 20080406-Ihmezentrum45: www.hannover-entdecken.de
- Ihmezentrum und Heizkraftwerk: www.hannover-entdecken.de
- Lindenspiegel 07-2000: Lindenspiegel
- Große Pläne wie der Lindenpark blieben ohne Umsetzung: www.hannover-entdecken.de
- Wieder neue Pläne für das Ihmezentrum in 2016: Cardea Immobilien GmbH